MYLADY SOMMERBAND Band 03: HERZKLOPFEN IM ROSENGARTEN / LADY ODER KURTISANE? / (German Edition)
stellte zu ihrer Enttäuschung fest, dass er ihr jetzt plötzlich keine Beachtung mehr schenkte. Selbst Sophie und Rupert behandelte er freundlicher als sie. Zutiefst gekränkt und den Tränen nahe, setzte sie sich ans Klavier und begann eine traurige Melodie zu spielen.
Dass Mr. Latimer zu dem Schluss gekommen war, er müsse Compton Lacey sobald wie möglich für immer verlassen, ahnte sie zum Glück nicht. Sonst wäre sie womöglich auf ihr Zimmer geflohen und hätte den Tränen freien Lauf gelassen. So jedoch grübelte sie nur darüber nach, ob sie den warmen Ausdruck seiner Augen so hatte missverstehen können. War der Gentleman lediglich freundlich gewesen? Aber nein, für sie stand unzweifelhaft fest, dass er ihr den Hof gemacht hatte. Ebenso eindeutig allerdings war sein kühler Abschied. Aus irgendeinem Grund war er nicht mehr daran interessiert, sie zu erobern.
Ob das etwas mit seiner Unterhaltung mit Mansell zu tun hatte? Konnte der Pfarrer etwas gesagt haben, was Latimer zu der Überzeugung gebracht hatte, seine Werbung sei unerwünscht?
Ein Seufzen unterdrückend, schloss Georgina das Klavier und legte die Noten zusammen. Es war an der Zeit, sich auf den Weg zur Kirche zu machen. Gerade hatte Mrs. Cunningham den Kindern aufgetragen, ihre Gebetbücher zu holen. „Und nehmt eure Jacken mit. Nach einem Gewitter sind die Abende oft kühl“, setzte sie hinzu.
Georgina ging ein paar Schritte hinter den anderen, die sich laut und fröhlich darüber unterhielten, wie nett so ein Abendspaziergang doch war. Nach dem Regen duftete alles wunderbar frisch. Die Sonne lachte vom Himmel, und es war angenehm warm, ohne schwül zu sein. Sophie bewunderte ein paar Glockenblumen, die blau am Wegrand leuchteten. Woraufhin Rupert seine kleine Schwester auf zwei Eichhörnchen aufmerksam machte, die auf einem der Bäume am Straßenrand Fangen zu spielen schienen.
Auch Georgina genoss die friedliche Sommerstimmung. Trotzdem fand sie selbst keine Ruhe. Unentwegt zerbrach sie sich den Kopf darüber, warum Mr. Latimer nach dem Dinner so überstürzt aufgebrochen war. Immer wieder drehte sie sich um. Vielleicht tauchte auf dem Weg von Blanchard’s Cottage her ja doch noch eine große Gestalt mit breiten Schultern, kurz geschnittenem blonden Haar, grauen Augen und einem männlich markanten Gesicht auf.
Doch sie hielt vergeblich nach dem Maler Ausschau. Ihre Ungeduld wuchs, und damit auch ihr Zorn. Inzwischen war sie sich ganz sicher, dass Mr. Latimers Interesse an ihr eindeutig gewesen war. Dann war es urplötzlich und scheinbar völlig grundlos verflogen. Nun, sie würde sich nicht einfach damit zufriedengeben. Sie würde eine Erklärung verlangen; selbst wenn sie ihn deshalb in Blanchard’s Cottage aufsuchen musste.
Ob tatsächlich Mansell irgendwie die Schuld daran trug, dass der Maler sich so unvermutet zurückgezogen hatte? Mansell, der für die Abendpredigt ausgerechnet Jesu Aufforderung „Liebet euren Nächsten wie euch selbst“ zum Thema gewählt hatte …
9. KAPITEL
Mit der Hüfte stieß Annie Jacklin die Tür zur Küche auf und setzte aufatmend den Wäschekorb ab. Natürlich war es gut, dass die Sonne alles so rasch trocknen ließ. Doch wenn man in der Hitze arbeitete, kam man schnell ins Schwitzen. Und sie war nicht mehr die Jüngste.
Glücklicherweise, dachte sie, ist Tom unversehrt aus dem Krieg zurückgekehrt und hat Arbeit bei den Radleys gefunden. So konnte ihr Ältester sie finanziell ein wenig unterstützen. Zuvor hatten sie und ihre große Tochter allein für die fünf jüngeren Kinder sorgen müssen. Daher war sie sehr froh gewesen, als die Blanchards sie gefragt hatten, ob sie sich um das Cottage und den dazugehörigen Garten kümmern würde. Natürlich gab es auch einen Gärtner. Doch für die, wie er es nannte, ‚niederen Arbeiten‘ wie zum Beispiel Unkraut jäten war meist Annie zuständig.
Stöhnend streckte sie sich. Sie liebte die bunten Blumen, sie mochte das Summen der Bienen und Hummeln, sie freute sich, wenn sie sah, wie das Gemüse gedieh, und sie genoss den Gesang der Vögel. Deshalb – und natürlich wegen des Geldes – hatte sie nichts dagegen, im Garten zu arbeiten. Wenn sie nur nicht immer Rückenschmerzen von dem vielen Bücken bekäme!
Leider war auch das Wäschewaschen nicht gut für ihren Rücken. Trotzdem hatte sie sofort eingewilligt, als Mr. Latimer sie bat, sich um seine Kleidung zu kümmern. Schließlich konnte sie jeden Penny gebrauchen. Außerdem war
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