MYLADY SOMMERBAND Band 03: HERZKLOPFEN IM ROSENGARTEN / LADY ODER KURTISANE? / (German Edition)
Hauptstadt war. Immer wieder hatten sie betont, dass eine solche Investition sich lohnen müsse.
Genau darüber, dachte Georgina, habe ich kürzlich mit Latimer diskutiert. Arme Nell! Sie hätte liebend gern darauf verzichtet, auf dem Londoner Heiratsmarkt angeboten zu werden. Denn ihr Herz gehörte schon seit einiger Zeit dem Hilfspfarrer von Compton Lacey, der, wie es sich gehörte, ihren Vater um die Erlaubnis zur Ehe gebeten hatte. Mr. Cornwell hatte ihn entrüstet abgewiesen. Daran hatte auch das Flehen seiner Tochter nichts ändern können. Damit sie den angeblich unpassenden Verehrer vergaß, hatte Nell mit ihren Eltern nach London reisen müssen.
Als Georgina den Brief zurück in ihr Retikül steckte, bemerkte sie, dass das Gewitter nachgelassen hatte. Die Luft hatte sich deutlich abgekühlt, und der Himmel im Osten färbte sich rosa. Nun, vielleicht konnte sie doch noch ein wenig Schlaf finden.
Als Georgina das nächste Mal erwachte, war es hell geworden. Das Gewitter war weitergezogen, doch es regnete noch immer.
Nachdem die Cunninghams gefrühstückt hatten, machte Becky sich daran, Regenkleidung für die Familienmitglieder zu suchen. Auf dem Weg zur Kirche würden sonst alle völlig durchnässt werden. „Wir haben nicht genug Überschuhe für alle“, verkündete die Haushälterin nach einer Weile und schleppte einen Stapel geölter Capes, alter Regenschirme und Galoschen herbei.
„Gina und ich teilen uns einen Schirm“, beruhigte Katherine sie. „Himmel, ich kann mich nicht erinnern, wann es das letzte Mal so geschüttet hat!“
„Besser, Sie ziehen eines der Capes an, Miss Kate“, meinte Becky.
„Nein, sie riechen so übel. Ich nehme nur das Schultertuch. Kalt ist es ja nicht. Und dass unsere Rocksäume nass werden, können wir sowieso nicht verhindern.“
„Mama muss das wasserdichte Cape anziehen“, beschied Georgina, „und natürlich die Überschuhe. Und diese kleinen Galoschen hier sollen die Kinder nehmen. Ich selbst habe ja zum Glück ein paar feste Schuhe und den weiten roten Umhang mit der Kapuze. Das muss genügen.“ Sie öffnete die Haustür und schaute hinaus. „Die Straße ist natürlich matschig. Willst du die Holzschuhe haben, Kate?“
„Auf keinen Fall! Als ich das letzte Mal in diesen Stelzschuhen laufen wollte, bin ich gestürzt und habe mir das Knie aufgeschlagen. Erinnerst du dich?“
„Ja, aber …“
„Jetzt ist keine Zeit für lange Diskussionen“, mischte Mrs. Cunningham sich ein. „Rupert, Sophie, beeilt euch. Ich möchte nicht zu spät zum Gottesdienst kommen.“
Gleich darauf verließen alle das Haus. Georgina, die den Auftrag erhalten hatte, die Tür abzuschließen, war die Letzte, die auf die Straße hinaustrat. Sie hatte die Kapuze des roten Umhangs über ihr Häubchen gezogen. Doch ein echter Schutz gegen den Regen war das nicht. Während sie sich beeilte, ihre Schwester mit dem Schirm einzuholen, lief ihr das Wasser übers Gesicht. Und bei jedem Schritt gab der Schlamm auf der Straße quietschende Geräusche von sich.
Plötzlich hörte sie dieses Quietschen auch hinter sich. Sie wandte sich um und entdeckte zu ihrem Erstaunen den Maler, der einen riesigen Schirm in der Hand hielt.
„Guten Morgen“, begrüßte er sie fröhlich. „Sie sehen aus wie Rotkäppchen. Gestatten Sie mir, Sie zu begleiten? Ich verspreche auch, Sie nicht zu fressen.“
Sie lächelte. „Ich glaube kaum, dass irgendwer Sie für den bösen Wolf halten könnte.“
„Da fällt mir ja ein Stein vom Herzen. Vielleicht könnte ich die Rolle des Jägersmannes übernehmen und Ihnen zu Hilfe kommen?“ Er hielt den Schirm über sie.
„Danke, diese Hilfe nehme ich gern an.“ Sie legte ihm die Hand auf den Arm. „Ein schöner Schirm!“
„Die Größe ist beeindruckend, nicht wahr. Ich habe ihn in der Abstellkammer von Blanchard’s Cottage gefunden. Konnten Sie trotz des Gewitters schlafen, Miss Cunningham?“
„Ich habe eine Zeit lang den Blitzen zugeschaut“, gestand sie. „Ist es nicht faszinierend, wie sie den dunklen Himmel plötzlich taghell erleuchten?“
„Sie beobachten also auch gern solche Naturschauspiele?“, rief Latimer aus. „Ich selbst habe bestimmt eine Stunde lang am Fenster gestanden.“
„Tatsächlich?“ Lachend schaute sie zu ihm auf.
Regentropfen funkelten an ihren Wimpern und erinnerten Ned an die Tränen, die sie am Vortag vergossen hatte. Wie gut, dass sie heute nicht mehr so unglücklich war! Er hingegen fühlte sich ziemlich
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