MyLady Weihnachtsband 2009 Band 18
Pächterhäuschen einquartiert? Mit Verwundeten wurde manchmal so verfahren. Man überließ sie der zweifelhaften Pflege irgendeiner Bauersfrau, während die Kämpfe anderswo weitergingen … Angestrengt versuchte er sich zu erinnern. Hatten sie die Schlacht gewonnen oder verloren? Oder waren sie gar noch mittendrin? Er lauschte. Nein, kein Kanonendonner zu hören.
Sein Blick kehrte zu der Frau zurück. Das Cottage hatte ihm gar nichts verraten. Aber die Frau … Er konnte den Blick nicht von ihr wenden. Ihre Augen blickten weich und besorgt. Auch um ihren Mund – ein sehr hübscher Mund – lag ein besorgter Zug. Besorgt oder vielleicht verängstigt? Er hatte keine Ahnung.
Er versuchte sich zu bewegen und stöhnte auf. Sein Kopf brachte ihn um. Als hätte ihn jemand mit der Axt gespalten. Wie war das nur passiert? Blutete er? Er wollte seinen Kopf abtasten, konnte jedoch die Arme nicht bewegen. Verdammt, er saß in der Falle. Seine Arme und Beine waren gefesselt. Man hatte ihn gefangen genommen! Er bäumte sich auf.
„Still“, sagte die Frau beruhigend. Sie machte sich daran, seine Arme zu befreien. „Es ist alles in Ordnung. Ich habe Sie nur ganz fest in meine Decke gewickelt, weil Sie so kalt und nass waren und ich befürchtet habe, Sie könnten sich erkälten.“
Er blinzelte zu ihr auf. Sein Kopf schmerzte einfach unerträglich. Auch der restliche Körper tat weh, aber sein Kopf war das Schlimmste. Ihm wurde schwindelig.
Und dann fiel es ihm endlich auf. Sie hatte Englisch gesprochen. Weder Portugiesisch, noch Spanisch, noch Französisch. Englisch, und zwar nicht das radebrechende Englisch einer Ausländerin, sondern richtig gutes Englisch. Das Englisch, das auch er sprach. Wo also befanden sie sich? Er wollte etwas sagen, sie fragen. Er spürte, wie sich seine Lippen bewegten, aber es war, als hätte ihm jemand die Zunge abgeschnitten. Er brachte keinen Ton heraus. Er fixierte ihr Gesicht und nahm alle Kraft zusammen, um ihr eine Frage zu stellen. Fragen. Sie quollen ihm ja schon aus dem schmerzenden Kopf.
Die Frau setzte sich neben ihn auf den Boden und strich ihm sanft das Haar aus der Stirn. Das fühlte sich so gut an, dass er die Augen schloss, um es auszukosten.
„Ich habe keinen Brandy“, sagte die Frau entschuldigend. „Ich habe nur heiße Suppe. Trinken Sie ein bisschen. Dann wird Ihnen warm, und Sie gewinnen Ihre Kräfte zurück.“
Warm? Wieso brauchte er Wärme? Und dann merkte er, dass er vor Kälte zitterte. Sie hob seinen Kopf an, und obwohl er wusste, dass sie so behutsam wie möglich vorging, schoss ihm ein scharfer Schmerz durch den Schädel, und er drohte die Besinnung zu verlieren. Doch dann bettete sie seinen Kopf sanft an ihre Schulter und hielt ihn fest, und er fühlte sich sicher und irgendwie … beschützt. Er packte sie am Oberschenkel, kämpfte eisern darum, nicht das Bewusstsein zu verlieren, und allmählich legte sich der dunkle Schwindel.
Er fuhr zurück, als etwas gegen seine Zähne klapperte. „Nur die Teekanne“, murmelte sie. „Mit der heißen Brühe. Trinken Sie, es wird Ihnen guttun.“
Er wollte ihr sagen, dass er ein Mann sei, dass er selbst trinken könne, und zwar aus einer Tasse, nicht aus einer Teekanne wie ein hilfloses Kleinkind, doch er brachte die Worte nicht heraus. Sie kippte die Teekanne, und so musste er schlucken, wenn er nicht wollte, dass sich die Brühe über ihn ergoss. Er schluckte.
Die Suppe schmeckte gut. Heiß. Köstlich. Sie wärmte ihn von innen. Und die Frau fühlte sich so weich und gut an, wie sie ihn so an sich gedrückt hielt. Geschwächt schloss er die Augen und ließ sich füttern wie ein Kleinkind.
Er trank die Brühe langsam, in kleinen Schlucken. Der Atem der Frau fächelte ihm warm über das Gesicht. Sie schien zu wissen, wie viel sie ihm geben und wann sie etwas warten musste. Er konnte den Duft ihres Haars riechen. Am liebsten hätte er das Gesicht darin vergraben. Stattdessen trank er die Brühe. Im Kamin knisterte das Feuer. Draußen pfiff und heulte der Wind, riss klappernd an Türen und Fenstern. Im Cottage war es kühl, der Fußboden war hart und kalt, doch merkwürdigerweise war ihm warm und behaglich und friedlich zumute.
Er trank die Brühe aus und ließ sich wie ein Kind den Mund abwischen. In einvernehmlichem Schweigen saßen sie dann da, während draußen der Wind heulte. In seinem Kopf schwirrten die Fragen.
Unter der Decke war er splitterfasernackt, wurde ihm plötzlich bewusst. Er starrte die Frau an,
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