Myrddin
William. Siehst du, ich bin ein Säufer, trinke ehrlich meinen Whisky und warte auf Irene … und du? Wer weiß, was du bist? Vielleicht hatte Patty gar nicht so unrecht, als sie sagte, daß du nur eine Spinne seiest. Jedenfalls hast auch du keine weiße Weste, mein Freund … auch du nicht …“
„An eurem Leben habe ich keinen Anteil. Sei dessen ganz gewiß.“
„So. Das weißt du genau? Du weißt aber nicht, woher du kommst? Und da du nicht vom Mond kommen wirst, William, bist du nicht besser als die anderen, ob du es wahrhaben willst oder nicht. Rede dir ruhig ein, daß die anderen die Sauereien gemacht haben – du aber hast zumindest die Menschen nicht daran gehindert – und ich habe das auch nicht getan … und überhaupt fühlen sich alle irgendwie unbeteiligt. Niemand hat sich hingestellt und Stop, so nicht! gebrüllt. Wir haben alle weggeguckt. Es war ja auch alles so einfach … und wir haben dabei gut gelebt. Aber jetzt wird es dieses Leben nicht mehr geben, William, und hoffentlich schlagen die Jungen den alten, korrupten, konservativen Säcken gewaltig auf die Finger, bis … ja, bis …“
„Jerry, lassen wir das …“
„’türlich lassen wir das. Weil es dir auf die Sprünge hilft und eine alte, abgehangene Schwarte nicht mehr springen will. Willst du wohl nicht hören … von einem Trinker wie von mir, hmmm …? Ist ja auch ganz egal“, sagte Palluck, enttäuscht darüber, einen von den Menschen am Strand gefunden zu haben, die am Pilatus-Syndrom litten, wie er es einmal formuliert hatte.
„Mag schon sein, Jerry. Doch erzähl mir doch einmal von Irene, bitte“, wechselte Myrddin das Thema sehr ungeschickt, um Palluck auf andere Gedanken zu bringen.
„Warum sollte ich das tun?“ fragte Palluck, der über Myrddins Sturheit in den vorhergehenden Fragen erbost war. „Hast du alter Mann noch nicht genug an den kleinen Möpsen von Patty gehabt, hmmm? Jetzt willst du mehr Geschichten hören? Du bist wohl wieder auf den Geschmack gekommen? Dein dünnes Blut ist in Wallung geraten, was?“ wurde er ausfallend.
„Ich wollte dir nicht zu nahe treten“, erklärte Myrddin geduldig.
„Alte Männer wie wir, William, die die Auswirkungen ihres Tuns niemals begriffen haben … ach, scheißegal …! Irene … ja, Irene, die Schöne …“, dachte er laut, trank einen Schluck Whisky und Myrddin fragte beharrlich weiter, ohne es Palluck direkt wissen zu lassen.
„Deine Irene mag ja schön gewesen sein – aber ich kenne eine Vivien, Jerry, die deine Irene an Schönheit und Ausstrahlung sicherlich übertroffen hätte.“
Die Augen von Palluck formten sich zu Schlitzen und Zorn stieg in ihm auf.
„Mister Myrddin, wenn ich nicht besoffen wäre … und du nicht ein alter, lahmer Krüppel … würde ich dir jetzt dein Schandmaul stopfen, ist das klar! Keine Frau – niemand auf der Welt – kommt ihr gleich … ihr … meiner Irene. Meinst du, daß ich sonst hier warten würde, Arschloch?“
„Dann muß sie wirklich etwas ganz Besonderes sein, Jerry“, heuchelte Myrddin, der mit seiner Provokation das erreicht hatte, was er erreichen wollte. Er hatte Palluck aus seiner Reserve gelockt.
„Halt bloß die Klappe. Du hast ja keine Ahnung. Sie ist das Abbild der Schönheit … die Verkörperung jeder Madonna …!“
„Und wo lebt sie heute?“
„Irgendwo … und nirgends. Weit draußen … in der See … Nur einmal habe ich sie gesehen. Einmal kam sie aus dem Wasser, kämmte sich ihr wallendes Jahr, saß auf einem Felsblock in der Bucht … und ich werde bis an das Ende meiner Tage auf sie warten. Irene … ich warte auf dich. Sie hat mich angelacht und mir zugewinkt … und sie wird mich holen kommen. Das weiß ich genau. Aber das wirst du dir nicht vorstellen können …“
„Du hast wirklich eine Nixe gesehen und lebst deshalb hier, Jerry?“ traute Myrddin seinen Ohren nicht.
„Eine Nixe …? Ich hab dir doch gesagt, was ich gesehen habe. Eine Göttin der Weiblichkeit mit einem Leib der Verführung … und einem versprechen für den alten Jeremiah Palluck. Eine Nixe …? Ha, daß ich nicht lache …“
Palluck hatte noch nicht geendet, als die Tür aufgerissen wurde und eine unsanfte, untersetzte Frau die Unterhaltung jäh unterbrach.
Myrddin ärgerte diese Unterbrechung, da ihm Palluck doch gerade von seinem Leben erzählte – und Palluck schreckte aus seinem Traum von Irene auf.
In der Baracke stand Faith Bishop. Die Menschen gaben sich die Klinke in die Hände, als hätten
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