Myrddin
Träumen gefangen, während Palluck und Myrddin sich an den Tisch setzten.
Palluck hatte sich einen Bogen Papier genommen und etwas aufgeschrieben, das Myrddin nicht interessierte, obwohl er ihn zum ersten Mal etwas schreiben sah. Als Palluck fertig war, faltete er den Bogen und steckte das Papier in den Umschlag von den Grußkarten seiner schottischen Bank, die er erhalten hatte, sah zu Myrddin auf und fragte, ob sie noch etwas spazierengehen wollten. Mit einem stummen Blick deutete er auf Tralee, die bereits schlief, und Myrddin verstand, daß er etwas mit ihm besprechen wollte, ohne daß sie es mitbekommen sollte.
Der Zauberer, der noch in seinen Fellanorak steckte, stand auf, sah zu Tralee, die sich in die Decken gekuschelt hatte, öffnete die Tür, sog die kalte Luft in die Lungen, und Palluck, der ihm folgte, schloß die Baracke.
Es war Nacht geworden. Der Nebel hatte sich seit dem Tag, an dem Myrddin in die Bucht gekommen war, nicht gehoben. Im Gegenteil: er schien täglich dichter geworden zu sein. Myrddin hörte das Meer, den schweren Seegang und fühlte die befreiende Nacht auf seiner Haut. Nächte unter dem großen Himmel taten ihm gut. Die Luft war schwer von Salzgeruch und die beiden Männer zogen schweigend in den Nebel hinein.
Myrddin war klar, daß Palluck über die Ergebnisse seiner Gedanken der gemeinsamen Zeit sprechen wollte – und er konnte sich denken, daß es auch um die Meerjungfrau Irene ging. Er hatte gespürt, daß Palluck auf seine Art von etwas Abschied genommen hatte – einen Abschied von seiner Umgebung, in der Tralee, Brian und ihre Schwester, aber auch Bishops lebten, und er wartete, was Palluck ihm sagen wollte, falls er überhaupt sprechen würde. Wie oft hatten sich Menschen vorgenommen, etwas zu sagen, und dann doch nicht den Mut gefunden, überlegte der Seher.
Und die beiden Männer liefen lange, bevor Palluck Myrddin gefaßt ansprach.
„William, du glaubst an das, wovon du gesprochen hast, nicht wahr?“ fragte er behutsam, gleichwohl ihm die Antwort vorher klar war.
„Falls du von Midhirs Lied sprichst … so glaube ich daran, Jerry. Das ist wahr.“
„Sollte ich dich fragen, weshalb du daran glaubst?“
„Das solltest du vielleicht. Aber selbst dann würde ich es dir nicht sagen können, befürchte ich.“
„Es würde wahrscheinlich auch keinen Unterschied machen … oder …?“
„Im Moment sprichst du für mich in Rätseln und ich bin mir nicht sicher, ob ich sie verstehe“, gab Myrddin vor.
„William, du mußt glauben, daß ich Jahre meines Lebens hier verschwendet habe, weil ich auf Irene wartete, und es nicht verstanden haben, ihr zu sagen …“
„Ob ich es glaube, weiß ich nicht. Und ich weiß auch nicht, wie man in dieser Welt Nixen umwerben kann. Das ist wahr, Jeremiah.“
„Ja … das stimmt in der Tat. Ich meine, man macht es wohl nicht mit Whisky – und auf sie zu warten ergibt auch keinen Sinn, glaube ich heute. Zumindest meine ich dich so verstanden zu haben. Man hat zu gehen und nicht zu warten … stimmt das?“
„So sehe ich es. Das heißt aber nicht, daß es für jedermann richtig sein muß. Du könntest es vielleicht völlig anders sehen, was für dich unter Umständen erheblich weiser wäre. Vielleicht ist es klüger für dich, in der Bucht zu bleiben, die Welt zu ertragen, dir die Zeit mit Leslie und Patty zu vertreiben und dich zu betrinken, während du auf deine Meerfrau wartest. Wer wollte uns das heute beantworten, Jerry?“
„Aber was erreicht man durch das Warten? Kannst du mir das sagen?“
„Du mußt wissen, was du erreichen möchtest – und du mußt wissen, was dich weiterbringt. Das Geheimnis in deinem Leben sind deine Wege. Ziele …“
„William, du weißt, daß du damit recht hast, nicht wahr?“
„O nein. Auch das weiß ich nicht. Ich weiß es nur für mich. Und für mich scheint es heute nicht richtig zu sein.“
„Sage mir doch bitte, ob ich meine Jahre hier vertan habe … Jahre, die ich hätte anders leben können?“
„Du hast sie nicht anders leben können. Also wie kann ich es dir sagen?“
„Aber sagst du mir nicht indirekt, daß ich mich auf die Suche nach Irene zu machen habe?“
„Wie könnte ich das für dich sagen? Falls du sie wirklich finden möchtest, Jeremiah, dann solltest du sie suchen. In der Bucht zu warten, wird dir nicht helfen können. Es würde dich nur verschleiern und das, was du gesehen und empfunden hast, zu Wort werden lassen. Aber das sage ich nicht dir, sondern
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