Myrddin
treffen, der sich seiner Wege sicher war“, erwiderte Myrddin energisch und Tralee saß verzweifelt an dem Tisch, an dem sie Palluck erwartet hatte. Sie barg ihr Gesicht in den Händen und begann bitterlich zu weinen. Myrddin wollte ihr seine Hand zum Trost reichen, doch sie wehrte sie ab.
„Ihr verdammten Männer …“, schluchzte sie. „Was wißt ihr schon vom Leben? Ihr geht und kommt, macht Kriege und Frieden, macht euch eure tollen Utopien und habt nicht die geringste Ahnung vom Leben … Allesamt seid ihr durchgeknallt … weil ihr keine Frucht in euren Leibern tragen könnt … Und das wollt ihr mit euren Köpfen ausgleichen. Verdammt … Ihr spürt nicht die Verantwortung für das Leben … Ihr seid abgestumpfte Rohlinge …! Schöne Worte … Seifenblasen … Illusionen … das ist alles, und verkauft euer Defizit als Tugend … Warum genügt euch nicht das kleine, ehrliche Glück, das wir zusammen haben können …?“ Tralee weinte bitterlich. Sie konnte die Entscheidung von Palluck einfach nicht verstehen, wußte nicht, was ihm gefehlt hatte, und verstand seine Lebensordnung nicht mehr. Sie liebte diese Bucht als einen Ort außerhalb der Welt, empfand die Gemeinschaft, liebte auch Myrddin, doch konnte den Schmerz über ihren persönlichen Verlust nicht ertragen. Was war das für ein Verrat ihrer Freundschaft, den Palluck an ihr begangen hatte?
Ruckartig stand sie auf, so daß der Stuhl umfiel, auf dem sie gesessen hatte, riß die Tür auf und rannte laut weinend in die Bucht.
Myrddin hatte Tralee nicht aufgehalten. Selbst die Tür, die weit geöffnet in ihren Angeln hing, schloß er nicht. Er erklärte den Elfen, die in ihrer Ecke saßen und von der Menschenfrau nichts verstanden, was geschehen war, und versuchte ihnen den Tod und das Leben unter den Menschen zu verdeutlichen.
XXI
Den ganzen Vormittag saß Myrddin tatenlos in der Baracke und war zum ersten Mal für so viele Stunden allein, seitdem er auf den Shetlands angespült worden war. Er hatte das Ofenfeuer ausgehen lassen, hatte die Tür nicht geschlossen – beobachtete, wie sich nebelige Schwaden in den Raum vortasteten, und genoß die Ruhe um sich, die gegenwärtig ersehnte Einsamkeit. Myrddin konnte sich trotz der Gegenwart der Vanyar einsam fühlen, da sie die Atmosphäre um ihn herum nicht beeinflußten, wenn sie schwiegen. Die Vanyar waren ein Teil der Luft, der Wärme und der Kälte, sie waren ein Teil des Windes und des Lichtes und als diese bedrängten sie ihn nicht. Sie drängten ihn auch nicht, Dinge zu tun, die sie nicht verstanden und an denen sie keinen Anteil haben würden. Der Blick in den wallenden Nebel war betörend und das Rauschen eines großen Meeres war in seinen Ohren, wie das Klingen eines Tautropfens, der von seinem Blatt in eine Morgenstunde fiel.
Myrddin träume von dem Wind, von einem Frühling und den Wäldern. Er träumte von den Bäumen, die er vermißte, wie ein Wintertag seinen Frost vermissen würde, der Herbst den Duft des Heus oder der Regen den Atem der grünen Wiesen. Er hörte die Nordsee längst nicht mehr, hörte schon die Blau- und Haubenmeisen in seinem Coed Celyddon. Er sah Eichhörnchen vor seinen Augen durch trutzig-urige Steineichen streifen und über Felsen sprangen Quellen aus der Unterwelt, an die er in der früher gewesenen Form nicht mehr glaubte. Und doch waren die Quellen kluge, reine Wasser, denen er zuhörte und die geneigt waren, ihm ihre Geschichten preiszugeben, weil er sich für sie die Zeit genommen hatte. Das Wasser lief durch seine Kehle, sprudelte auf der Zunge, bevor es die Adern wusch und seine Haut verjüngte. Es würde ihn wiederbeleben, und er hörte die Stimmen, die die Blondelfen hörten und denen sie keine Bedeutung schenkten, da der Nebel sich über den Boden tastete, als wehe er über eine Lichtung, auf der sie auf ein Reh warteten, das aus seinem Wald springen sollte, den Bodennebel verwirbeln würde, und Myrddin sehnte sich nach den Wassertraufen, in denen er sich waschen könnte. Er schmeckte schon den Pilzgeruch auf seiner Zunge, hörte aber plötzliche, schwere Schritte über Laub trampeln, und in der Nase war der Geruch von Menschenangst, der Geruch von einer alten Frau und einem Mädchen, die schweißgebadet durch den Nebel taumelten und Pallucks Baracke suchten.
Schwer atmend kamen sie näher und Myrddin entfernte sich aus den Wäldern des Nordens von Britannien, saß auf seinem Stuhl und hörte die tuschelnden Stimmen von Tralee und Brian, die sich eilig
Weitere Kostenlose Bücher