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Myrddin

Myrddin

Titel: Myrddin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Saunders
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Zustand nicht einordnen konnte.
    „Nein … natürlich nicht, William …“, stotterte sie weinend. „Ich meinte nur ein Geräusch gehört zu haben … und du warst plötzlich nicht mehr da … und da wußte ich nicht mehr … ich wußte mir nicht mehr anders zu helfen …“
    „Ist schon gut, Leslie. Jetzt bin ich ja da. Und stell dir vor: Patty ist gekommen“, freute sich Myrddin.
    „Patty …? Wo ist Patty, William …?“ fragte Tralee und gab sich Mühe, ihre Fassung wiederzugewinnen, indem sie sich ihre Haare mit den Händen rangierte.
    „Komm und sieh es mit deinen eigenen Augen, Leslie. Nimm alles mit, denn wir kommen hierher nicht wieder zurück“, meinte Myrddin, rollte seinen Anorak zusammen, den er Tralee geliehen hatte, steckte sein Buch unter das Hemd, nahm seinen Eschenstab und griff Tralee unter den Arm, um sie zu stützen.
    „Wo …? Wo ist Patty, William …?“ fragte sie immerfort, und Myrddin spürte, daß ihr Geist angegriffen war. Brian war eines der fehlenden Glieder in Tralees Vernunft, das sie als Verbindung zu ihrer Welt brauchte.
    „Laß dich einmal überraschen …“, freute sich Myrddin und sprach ihr Mut zu.
    Sie stolperten durch die schneeverharschte Bucht zum Wasser. Eisschollen lagen in den grauen Nebel geworfen – ausgezackt vom Salzwasser angefressen. Es war ein Weg, der Tralee unendlich weit vorkam, da sie ihn weder kannte noch ein reales Ziel vermutete. Jeder ihrer Schritte war ein Schritt über einem Abgrund und jeder Abgrund hatte eine unendlich Tiefe.
    Mit Händen, die sie sich an den scharfen Eiskanten aufrissen, und eisigen Füßen kletterten sie über die Schollen eines fremden Planeten der Nordsee entgegen und in der aufsteigenden Dunkelheit eines sich verfinsternden Nebels war sie einem Führer ausgeliefert, der ihren Freund Palluck hatte ertrinken lassen. Die gewaltigen, gefährlichen Klüfte zwischen den Eisschollen gaben ihr den ersten Eindruck vom Bergsteigen. Und sie lernte bitter das harte Risiko des Kletterers kennen.
    Myrddin ging langsam voran. Und sie überfiel die Angst, daß er es ähnlich mit Palluck gemacht haben könnte – ihn zum Meer geführt und ihn anschließend einfach seiner Qual überlassen hatte. Sie konnten nicht einen Meter weit sehen, so dicht war der Nebel. Myrddin jedoch spornte sie an, überließ sich nicht ihrer aufkommenden Schwäche, und da stand sie plötzlich auf einer ­Eisscholle und sah einen unheilvollen, schwarz gepechten Kiel aus dem dunklen Nebel ragen.
    „Na, was sagst du nun, Leslie?“ fragte Myrddin stolz.
    „Was ist das? Und woher kommt das?“ Tralee stand fassungslos vor einem meterhohen Schiffsbug, den sie als solchen nicht zu erkennen schien.
    „Das ist unsere Patty! Sie hat uns das Boot hergebracht. Ist das nicht ein Meisterstück ihrer seemännischen Talente …“, freute sich Myrddin. „Aber komm …! Laß uns erst einmal nach Patty sehen. Sie hat bestimmt einen ganz schönen Schrecken bekommen, als sie auf die Schollen geraten ist …“, sagte er zu Tralee und reichte ihr die Hand, damit sie um den aus dem Wasser gehobenen Rumpf herumlaufen konnte.
    Tralee ließ alles mit sich geschehen, da ihr Leben nicht mehr zu existieren schien. Sie stolperte über zerbrochene Eissplitter und hörte die schmetternden Brandungswellen dicht vor sich. Sie waren dem Meer so nahe gekommen, daß ihnen die Gischt in die Gesichter getrieben wurde. Ohne jedes Gleichgewicht strauchelte sie unbeholfen weiter, mit ihrer Tasche in der einen Hand, während die andere das Handgelenk Myrddins umklammerte – und sie waren auf dem Weg um den Stahlrumpf eines Fischereibootes, das sich mehrere Meter mit seinem Bug auf die mächtigen Eisschollen geschoben hatte und fest verkeilt war. Es lag wie ein todessüchtiger Wal an einem Strand, der seine Orientierung verloren hatte.
    „Patty …! Halloooo Patty …! Wir sind es! Leslie und Willliam …! Bitte laß uns an Bord kommen …!“ rief Myrddin aufgeregt.
    „Was …? Was ist nur geschehen …? Wo bin ich? William? Wo bist du …?“ stammelte das Mädchen wirr vom Boot.
    „Hier unten, Patty!“ rief er freundlich. „Hast du oben bei dir keine Leiter, die du uns runterlassen könntest? Die Bordwand ist etwas hoch. Frauenstemmen war nie eine meiner besseren Disziplinen …!“ rief Myrddin und hörte dann Elwe hinter sich im Nebel schwirren.
    Myrddin deutete ihm mit einer Handbewegung an, daß er wegen Tralee noch nicht sprechen könnte. Solange er die Menschenfrau bei sich

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