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Myrddin

Myrddin

Titel: Myrddin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Saunders
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konnte er nur tun, um über diese Straße zu kommen, ohne mit diesen Fahrzeugen zusammenzustoßen?
    Als kein Auto zu sehen war, berührte er den Asphalt vorsichtig mit seinem Stab – und nichts geschah. Das Gleiche vollführte er vorsichtig mit seinem Fuß, berührte den harten Untergrund – und es kam keines der rasanten Automobile. Behutsam setzte er seinen anderen Fuß auf das schwarzschlängelnde Band, als wolle er das Untier unter seinen Sohlen nicht erwecken. Und plötzlich kam eines der Menschenfahrzeuge, als er mitten auf der Fahrbahn stand. Er schrie, und es hatte Lichter, die aufblitzten. Myrddin sprang auf den grasigen Seitenstreifen zurück und ärgerte sich sowohl über seine Unkenntnis wie über seine Feigheit.
    Er versuchte es erneut, schon mutiger, als er sich unbeobachtet fühlte. Mit beiden Beinen stand er schon auf der Straße, huschte auf einen weißen Streifen in der Mitte der Fahrbahn, an dem Fahrzeugen auf beiden Seiten vorbeigefahren waren, und fühlte sich sicher. Sooft er Fahrzeuge gesehen hatte, waren sie nicht über diesen weißen, gestrichelten Streifen gefahren. Und Wagen waren nicht zu sehen, als er mit schnellen Schritten auf die andere Seite der Fahrbahn flüchtete und sich endlich auf dem gegenüberliegenden Seitenstreifen befand. Er hatte seine erste Straße überquert, die er trotzdem nicht richtig verstand. Er konnte sich nicht erklären, welche Bedeutung der Mittelstreifen haben mochte, da er nicht glauben konnte, daß er nur eine einfache Begrenzung der jeweiligen Fahrbahn gewesen sein könnte. Welcher Mensch zieht mit einem Tüncheimer und einem Quast durch die Lande, um weiße Striche auf Straßen zu zeichnen? Was ist das für ein Unfug? Diese Mühsal muß einen anderen Grund haben …, waren seine Gedanken. Doch er staunte über die Glätte der Fahrbahnoberfläche, die fast geschmeidig wirkte, wenn man sie betrachtete. Und das Reisen mußte mit solchen Geschwindigkeiten erheblich leichter sein als zu seinen Zeiten, da er durch Britannien gereist war. Myrddin hatte seine erste neuzeitliche Straße überquert, war stolz auf sein Geschick, obwohl man ihn angehupt hatte und mit Licht warnen wollte. Im nachhinein verdroß es ihn nicht, da er seine Hürde genommen hatte – wenngleich mit einigen Anlaufschwierigkeiten – und in die hügeligen Wälder aufbrach, die dunkel unter den letzten Streifen des Horizontes vor ihm lagen und die lange nicht mehr so bedrohlich für die Menschen sein konnten wie vor einem Jahrtausend. Oder rasten sie deshalb mit ihren Mobilen durch die Landschaft, weil es in ihnen Gefahren gäbe, die oberflächlich nicht erkennbar wären? Rasen sie, weil sie Angst vor dem Verweilen haben , fragte er sich.
    Die Menschen hatten seinen Wald mit Straßen durchädert. Sie hatten dessen Ganzheit zerschnitten und röhrige Schneisen in ihn gelegt. Der Coed Celyddon war ihnen keine Barriere geblieben, obwohl er immer noch eine unheimliche, altertümliche Ausstrahlung besaß. Es war nicht mehr die gewaltige Ausstrahlung eines Wisent, der trotz seines Alters Hoheit besaß. Es war das Wesen eines alten, zahmen Tanzbären, dem die Narben seines Nasenringes nichts mehr bedeuteten, da er den rostigen Schmerz über die Jahre hinweg gewohnt war. Die Menschen hatten seinen Wald bezwungen – sofern die Zivilisation die Bäume bezwingen konnte – und hatten es geschafft, jederzeit nach Belieben durch ihn hindurchzurasen. Sie hatten sich sichere Wege erarbeitet, die vor Wegelagerern schützen konnten, denn wer sollte sich schon ohne Zauber diesen Automobilen nähern können, ohne von ihnen überrollt zu werden? Andererseits war es mit den Menschen so gewesen, daß sie zu allen Mitteln auch ein Gegenmittel erfunden hatte. Folglich war es durchaus wahrscheinlich, daß auch Straßen ihre Schwächen haben mußten und bei weitem nicht so sicher wären, wie sie auf den ersten Blick wirkten. Vielleicht lagen sie nur prahlerisch auf der Erde, weil sie in sich eine Angst zu verbergen und sich bereits überdauert hatten.
    Die Nacht war herangeschlichen und er bewegte sich mit unbeirrter Sicherheit durch seinen Wald. Sein Coed Celyddon war schütter geworden, fand Myrddin, und er sah selbst in der Finsternis Lichtungen, die es zu seiner Zeit nicht gegeben hatte. So etwas hätte schon passieren können, durch Trockenheit, schadhaftes Grundwasser, durch Altersschwäche. Doch die Bäume schienen ihm krank und der Wald leblos. Auch in früheren Jahren war es kalt und unfreundlich in den

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