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Myrddin

Myrddin

Titel: Myrddin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Saunders
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erinnerte sich an seinen ersten Weg zum Hart Fell. Drohend ragten wuchtige Felsblöcke, und es war damals Winter gewesen. Oberhalb einer steilen Wand stieg er auf, hatte seinen Eschenstab in der rechten Hand und mühte sich redlich. Belohnt wurde er dann von dem Ausblick auf die weiche, schneebedeckte Flanke eines Berges, dessen Namen der nicht kannte, und dann … dann tauchten im Norden die unveränderten Berge auf. Wie oft war er hier gestanden, hatte in den dunklen Schlund hinter sich gesehen und sich gedanklich in ihn hinabgestürzt. Düsterfeuchte, unheimliche Felsenstürze lagen unter einem strahlenden Tageshimmel, der sich in den Nachmittag neigte. Und vor ihm tat sich eine dunkelabgründige Schlucht auf.
    Gespannt und beflügelt von der heimziehenden Kraft kletterte er in eine Felsspalte, die vor ihm lag, warf einen Blick zu den umliegenden Bergen und stieg auf seinem Weg höher. Die gewaltigen Gesteinsbrocken, die aus dem Hang der glatten Steilwand durch die Jahreszeiten herausgesprengt worden waren, hatten auch damals schon gelegen, und ein letzter, riesiger Felsquader lag im Weg durch die Felsspalte, die wie eine Hohlgasse wirkte – und er war angekommen. Da war sie: seine steinerne Zuflucht in der Unwirklichkeit hatte ihn wieder. Sie hatte wie er die Jahrhunderte überdauert, hatte auf ihn gewartet, und er hörte eine Lerche in den Nachmittag aufsteigen, hörte die vertraute Stimme des Vogels, den er vermißt hatte.
    Er stand auf einer felsigen Platte und sah eine Grotte vor sich liegen, der eine Quelle entsprang. Myrddin zwängte sich in die Grotte, die ihm seine Höhle in Britannien gewesen war, und nahm mit seiner Hand das eisig-klare Wasser, das über die Steine in der Höhle aus dem Felsen quoll. Er wusch sich das Gesicht und trank das Wasser aus seinen Händen. Er spürte aber auch hier plötzliche Fremde. Jemand mußte in seiner Höhle gewesen sein. Seine Grotte schien ihm verändert. Er entdeckte die rostigen Reste einer Eisenkette neben seiner Quelle am Hart Fell und sah ein in den Deckenstein geritztes Datum mit dem Wahlspruch und dem Namen eines Herzoges von Queensbury, der im Jahre 1752 A. D. seine Zeichen hinterlassen hatte. Myrddin lachte laut auf und dachte, daß es Jahrhunderte gedauert hatte, bis man seine Zuflucht gefunden hatte. Ein Ort, ein Name, eine Jahreszahl und neues Land war entdeckt, für eine Krone und einen König in Besitz genommen? Und mußte es nicht ein König göttlicher Gnaden der römisch-katholischen Kirche sein, für den man das Land stahl? Doch seine Grotte schien kein größeres Interesse der Menschen auf sich gezogen zu haben, da die Umgebung fast unverändert war.
    Der Zauberer kam wieder aus seiner Höhle, stellte sich in den kalten, klaren, sinkenden Tag, hörte seinen Bach unbändig in die Tiefe des felsigen Bettes stürzen und dachte an den Vorhang der Zeit, sah die Räume allen Sehens und seiner Begabung all seiner Erkenntnis und der grausigen Einsamkeit, in die ihn seine Art und seine Übernatur gebracht hatten.
    Er hatte seinen Rentieranorak übergezogen und fühlte sich fremd, obwohl er zu Hause zu ein glaubte. Er war seiner eigenen Zeit entwachsen und spürte sein neues Alter. Die Erinnerungen blieben, doch damals hatte er sich anders gekleidet und Tiere spielten um ihn herum. Es hatte dichtes Strauchwerk gegeben und er hatte sich eingerichtet. Gebot ihm sein Leben, sich ein zweites Mal an dem Hart Fell einrichten zu müssen? Und sollte er hier auf den Raum treffen, der ihm die Anderswelt versprach? Myrddin war auf Geheiß der Gwyllons gekommen und spürte das Alter seiner Umgebung. War er es, der sich verändert hatte? Er war nicht geflohen, sondern zurückgekommen. Er hätte nicht kommen müssen – er wollte zu seiner Grotte am Hart Fell reisen. Er hätte sich gegen die Gwyllons leicht auflehnen können. Damals hatte es ihn gequält, weil er sich fügen mußte, um nicht erschlagen zu werden. Und heute verband er den Hart Fell mit den romantischen Bildern einer Heimstatt, die ihm eigentlich nur Eriu gewesen war? Er hatte sich in sein Los ergeben und sich eine Heimat vorgegaukelt, weil es keine andere für ihn gegeben hatte. Auch die Grotte hatte ihm damals nur gefallen, weil sie ihm gefallen mußte. Und in Wirklichkeit war der Hart Fell auch nur ein Ort unter vielen anderen, dachte Myrddin, und eigentlich war ihm Norwegen vertrauter geworden, als sein altes Britannien es jemals gewesen war. Seine leidenschaftliche Sehnsucht nach dieser Grotte am Hart

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