Myrddin
kennen – die Flüche, die Hyperbeln, nicht aber die Könige. Über Regenbögen der klarsten Bäche, die sich aus ihren Tränentälern winden und sich mit dem Erdreich beschäftigen … o Merlin. Und wir … Merlin, wir haben ein Vergessen mehr auf unseren Schultern …
… sprach der Schlaf, und Irrlichter blieben von ihm zurück, bevor er das Buch zuschlug und hinter dem Nußbaum wieder verschwand, hinter dem er aufgetaucht war. So sehr Myrddin auch suchte – der Gefährte blieb verschwunden. Und der Zauberer öffnete benommen seine Augen.
Er war aus seinen unverständlichen Träumen erwacht und hatte sich in einen herrlichen Morgen geschlafen, dessen milde Laub- und Moosluft er atmete, und er sah in einen wundervollen Coed Celyddon, der von dem frühen Licht einer gelben Sonne durchflutet wurde. Was war das für ein Morgen, ein zauberhafter Anblick des Waldes im Morgenlicht, der sich mit Korund in seinen Ästen geschmückt hatte und durch dessen geschliffene Tafeln er blicken durfte. Myrddin war geneigt den Coed Celyddon mit seinem Stein des Alnilam zu begrüßen, doch die Stimmen der Tiere fehlten immer noch. Er stand in einer Gruft gewachsener Menhire, die sein Auge beglückten, die jedoch keine Bäume waren, wie er sie kannte, und dennoch sagte er:
„Y Gogledd, du hast mich für Stunden zurück und so habe ich auch dich. Soll willkommen sein, was mir durch dich begegnet …“ Und er stand auf, streckte seine Hände in die Höhe, gähnte müde und dachte, daß er endlich wieder zu Hause sei. Und vor Freude, die in ihm wuchs, da er sich ausgeschlafen hatte, tanzte der alte Zauberer wie ein Knabe in dem Laub. Er bückte sich, griff in die feuchten Blätter, warf sie hoch und ließ sie über seinem Kopf herabfallen. „Was sagst du nun, alter Freund? Hättest du das gedacht?“ fragte er den Wald, doch die Bäume schwiegen. Sein Wald schien ihm aufgeräumt, er erschien ihm zivilisiert – sauber herausgeputzt wie ein Mädchen, das sonntags zur Bibelschule zu gehen hatte. Sein Wald war für den Menschen begehbar geworden. „Na und …? Ich werde dich durchlaufen … heute noch die Cheviot Hills überqueren und übermorgen … übermorgen bin ich am Hart Fell. Was meinst du, mein Wald? Wo hast du deine Tiere versteckt? Versteckst du sie vor mir oder erwarten sie mich am Hart Fell? Wir werden sehen … du guter Alter“, und er hörte seinen hohlen Ruf zwischen morschen Baumstämmen klingen. „Ich werde Leben in dich bringen, falls ich Zeit habe“, meinte er, nahm seinen Stab und machte sich glücklich auf den Weg, der ihn trotz seiner guten Laune verdroß, da es keine Tiere gab, mit denen er sich unterhalten konnte. Vielleicht hätten die Vanyar doch bleiben sollen? Wahrscheinlich hatte ihm nur der Schlaf gefehlt, der ihm den Charakter der Blondelfen in seinem wahren Licht dargestellt hätte. Trotzdem tobte er wie ausgelassen durch seinen Wald, der in seinen Kronen leichte, tuffige Nebelschwaden hielt und den die Januarsonne wie ein Lebenselixier durchströmte.
Er wußte sehr wohl, weshalb man sich in der Vergangenheit um dieses gesegnete Stück Land gestritten hatte – und jeder Mensch hätte es gewußt, der in diesem Morgen in jenem Wald aufgewacht wäre, das Licht auf den feuchten Rinden gesehen hätte, Mooskissen wie Perlenteppiche hätte erleben und die stille Luft der Pflanzen atmen können, die des Morgens ihrem Nachtlager entstiegen war. Die Pflanzen streckten sich übermütig aus dem Schatten der Walddecke und lauschten mit neugierigen Knospenköpfen den Versprechungen der Jahreszeit. Deshalb hatte man sich um dieses Land gestritten und über die Jahrhunderte keine Einigkeit gefunden. Und das hatte die neidischen Feinde in das Land gebracht. Für Myrddin war es die heiligste Erde, auf der er stand. Es war das Zentrum aller Welt und der Urgedanke jeden Geschehens. Aus diesem Land wuchs die Energie der axis mundi , selbst da der Wald stumm geworden war und seine Wasser in sich verbarg.
Myrddin besaß Zuversicht, würden ihn die Gwyllons nur gewähren lassen. Doch sollten sie ihn daran hindern, so mußte der Wald bereits ahnen, was ihm geschehen würde, und war auf anderen Pfaden vorausgewandert, denen Myrddin folgen sollte. Doch fröhlich wie jemand, der sein verlassenes Blockhaus nach Jahren wieder aufsuchte und erst ein knisterndes Feuer entfachen wollte, begann Myrddin die Geschichten seinem Wald zu erzählen, die sein Freund nicht kennen konnte, und er wollte die Lieder der Nordmänner und der
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