Myrddin
wurde sie nicht wahrgenommen. Unbewußt hatten die Menschen versucht, dieses Treffen der stolzen Wesen zu verhindern. Sie hatten den Hirsch und die Wölfe vergeblich gejagt und einen William Myrddin erfolglos jagen wollen, der sich jedoch nicht mehr jagen ließ.
XXIX
Für Akita, Pacis und Hörn war es eine Nacht, in der sie sich wieder vollkommen sicher fühlen konnten. Im Schein des Kristalls saßen sie mit Myrddin zusammen, während sich die Vanyar zurückgezogen hatten.
Der Hart Fell hatte ein unwirkliches Leben bekommen, das sich schon viele Nächte nicht mehr in ihn gewagt hatte. Gab es Berichte und Erzählungen von einer Welt – er hatte sie nicht gehört. Gab es Menschen – er hatte sie nicht gesehen. Und wenn sie kamen, waren sie nicht gekommen, um zu erzählen, sondern um sich vor ihm zu fürchten. Und dieser alte Mann, der seine Tiere und die Elfen mitgebracht hatte, fürchtete sich nicht. Der Hart Fell hatte sich sehr wohl an den Sehenden erinnert – und Leben kam in die kalten Felsschluchten, wie es niemals wieder kommen sollte. In den Hart Fell war ein Leben zurückgekehrt, das der Nachthimmel mit seiner strahlenden Krone ehrte, vor die er sonst immer häufiger seine Vorhänge gezogen hatte, die kaum noch jemandem Einblicke in seine Schatzkammer erlaubte. In dieser und den kommenden Nächten jedoch gewährte er uneingeschränkte Audienz, versteckte sich nicht hinter seinen Wolken und ließ das lichte Antlitz seiner Brillanten in Geschichten fallen, die der Hart Fell in seinem Gestein begraben sollte, so unglaublich waren sie.
Myrddin war das Glied zwischen Tag und Nacht. Er war das Glied zwischen dem Hart Fell und dem Universum, die sich wohlbekannt, nun aber neu begegneten. Er trug sich selbst wie eine Eigenschaft, die ihm nicht bewußt war und der er sich nicht rühmen konnte. Und so saß er, aß und freute sich seiner wunderbaren Gegenwart, die nicht Gegenwart sein konnte, weil sie keine Zeit besessen hatte.
Für die Wölfe gab es die Zeit, da sie in Schweden ihre Familie hatte. Für sie gab es Gegenwart. Und für die Vanyar, die keinen Zeitbegriff kannten, verschwendete sich nur Tageslicht einer Sonne, da sie nicht in Calaciry waren.
Hörn hatte sich auf den Steinschutt gelegt und wollte wissen, was weiterhin geschehen sollte, und die Wölfe lagen neben Myrddin, der sich an seine Grottenwand gelehnt hatte.
„Du weißt sehr wohl, daß die Vanyar nicht gerne bleiben, Merlin?“ fragte Hörn rücksichtsvoll, ohne den Elfen vorgreifen oder Myrddin kränken zu wollen.
„Ja. Ich weiß es. Aber ich möchte sie nicht gehen lassen, bevor die Gwyllons nicht gekommen sind. Hörn, ich sehe uns in eine Menschenwelt aufbrechen. Und ich denke mir, daß ich als Puppenspieler unauffällig bin“, antwortete Myrddin seinem Hirsch.
„O Merlin … und wir? Was machen wir? Wo sollen wir bleiben? Jeder Tag, an dem wir uns vor dem Menschen verstecken müssen, bringt uns der Gefahr näher, von ihnen entdeckt zu werden.“
„Das weiß ich, Pacis. Aber ihr seid sicher, solange ich sicher bin. Und ich habe gesehen, daß ihr beschützt nach Skandinavien zurückkehren werdet … zu eurem neuen Schamanen … zu Carus“, lachte Myrddin.
„Und wirst du uns begleiten?“ fragte Akita besorgt.
„Es wird sich mir zeigen. Die Gwyllons wissen bereits, daß ich hier auf sie warte. Sie werden kommen, Akita. Und bis dahin genießen wir nur die Tage, die Stunden und die Augenblicke, die uns Glück verheißen. Lasse und die Luft und den Himmel riechen. Bis dahin werden uns mein Hart Fell und mein Coed Celyddon schützen … nicht wahr, mein alter Freund …!“ rief Myrddin froh in den alten Felsen und über den Wald, den niemand hinter den Graten sehen konnte.
„Merlin, du sollst wissen, daß es den Vanyar keine Freude macht, dir als Marionetten zu dienen. Sie tun es, weil sie dem Großen Rat und sich selbst verpflichtet sind. Aber es gefällt ihnen nicht. Und sie zweifeln an dir, weil du unter den Menschen schwach geworden seiest, wie Caspar mir anvertraute“, erzählte Hörn.
„So, so, Caspar hat sich also bei dir über mich beschwert. Er mag ein kluger Vanyar sein, aber ihm sind unsere Angelegenheiten gegenstandslos, wenn er daraus kein Epos für sich selbst machen kann. Deshalb ist er unwirsch und ungehalten. Falls die Vanyar gekommen sind, um mir zu helfen, dann sollen sie das tun. Aber sie können weder von mir noch von irgendeinem von uns erwarten, daß wir wie sie zu Luft werden oder ich euch ihnen zuliebe
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