Myrddin
…“
„Übertreibst du nicht etwas, Hörn?“ fragte Myrddin sehr nachsichtig, der sich die Umgebung des Abenteuers nicht im geringsten vorstellen konnte.
„Hast du es erlebt, Merlin? Schlimmer als deine Gwyllons ist es gewesen. Doch die Schlange kam nicht. Entweder waren sie ihnen ausgegangen, oder es muß einen anderen Grund gegeben haben. Vielleicht hatten sie auch den Großen Geist Akitas gefürchtet …? Es war mir dann, als wären wir Tage gelaufen, Tage der erschreckenden, künstlichen Finsternis – einer Dunkelheit, wie sie nur Menschen machen konnten mit einer Luft, die niemand zu atmen vermochte. Und dennoch schafften wir es und kamen heil aus dem Tunnel heraus. Und es war Britannien, das uns empfing. Der alte Geruch, ein sehr ähnlicher Schmutz – wie damals in den morastigen Gassen, durch die wir gelaufen waren. Aber es war das Land, in dem wir uns treffen wollten, unsere Insel Britannien. Und während Virgo und Kent Akita und Pacis holten, wartete ich etwas abseits auf sie.“
Welche Angst die Wölfe in dem Tunnel gehabt haben mußten, konnte sich Myrddin gut vorstellen, da er die Natur der Wölfe kannte – ihre Liebe zur Freiheit, Weite und zu den Wäldern, mit einer Nase, die unzählige Male sensibler als Hörns Nase war. In das Herz eines technologischen Menschenwerkes einzudringen, mit dem Geruch ihrer Jäger in der Nase, mußte für sie unerträglich gewesen sein. Und die zwei Grauwölfe hatten bei der Erzählung von Hörn gejault, so hatte sie der Schrecken geprägt. Aber im Vertrauen auf die Vanyar, auf Hörn und auf Myrddin gingen auch sie winselnd in den Tunnel, durchquerten ihn mit aufgestellten Nackenhaaren unbeschadet und atmeten tief auf, als sie Hörn auf der anderen Seite trafen. Sie hatten gegen die furchtbarste Finsternis ihres Lebens angekämpft und einen glorreichen Sieg davongetragen. Das war eine Erfahrung für sie, die sie niemals vergessen sollten. Und der Tunnel war an diesem Tag stellvertretend für die Menschen geworden.
Sie hatten es geschafft, waren in Britannien und konnten es kaum glauben. Den Grauwölfen schien Hörn selbst ohne Geweih stolzer geworden zu sein. Es kam ihnen vor, als fühle er sich als Hoheit dieses Landes, ein König ohnegleichen, der zurückgekehrt war. Sie hatten Gefahren überstanden und fühlten sich gemeinsam überlegen durch ihre neuen Erfahrungen. Sie waren stolz aufeinander, und bis auf die Vanyar hätte es keiner von ihnen geschafft, den weiten Weg durch die Menschenländer allein zu überleben.
Doch das Britannien, das Hörn zu kennen vorgegeben hatte, weil er es mit Myrddin vor vielen Jahren verlassen hatte, war nicht das Britannien, das er kennen konnte. Die Wälder waren gerodet, die Landschaften bestanden nur noch aus Erdwarzen, einzelnen Bäumen und Sträuchern. Neue Straßen lagen wie schmutzige Netze über dem Land, und es dauerte, bis man die unzähligen Wege sicher überqueren konnte. Das hatten sie immer in der Nacht getan. Am Tage wäre es kaum möglich gewesen, unbemerkt zu reisen. Das Land war voll von Menschen, wohin man auch sah, und die Elfen beklagten den Lärm, der in ihren guten Ohren schmerzte. Und sie mieden die Lichter der Nacht. Die Menschen hatten alles um sich herum erleuchtet. Es gab Städte, die des Nachts heller als Monde strahlten, die auf die Erde gefallen zu sein schienen, und kaum eine Passage durch das Land, auf der man vor den Menschenaugen sicher gewesen wäre.
Die beiden Vanyar hatten auf der Reise die Sorge für Hörn und die Grauwölfe getragen. So sahen sie die Umgebung mit ihren Augen und versuchten sie gleichzeitig mit den Augen der Tiere zu sehen, da ihre Sicherheit gewährt werden mußte. Und den Mut der Tiere hatten sie im Stillen bewundert.
Dort, wo sich Wölfe nicht frei bewegen konnten, konnte auch ein Mensch nur schwerlich unbeirrt reisen, dachte Myrddin. Je weiter die Tiere nach Norden gekommen waren, desto angenehmer war ihnen das Land erschienen. Und ihre Zeit, die sie gewandert waren, war zu einer gemeinsamen Zeit geworden.
Nicht weit vom Hart Fell, wie es Virgo einschätzte, trafen sie auf die drei Vanyar, die mit Myrddin gereist waren. Und für alle war es eine Freude, als sie von ihnen hörten, daß Myrddin bereits am Hart Fell sein sollte.
Es war eine Nacht voller Freude, in der auch Myrddin seine Reisen den Tieren beschrieb – eine Nacht gefüllt mit warmen Geschichten und einer großen Zusammenkunft, die sich heimlich am Hart Fell ereignete. Von der schlafenden Menschheit
Weitere Kostenlose Bücher