Myrddin
entsprach. Und so machten sie sich sogleich auf, nachdem sie sich vor Myrddin und jedem einzelnen Tier verbeugt hatten, sahen dann die Gemeinschaft zwischen den Felsen in der Tiefe kleiner werden und schwirrten in einen Morgen, in klares Licht, das sich über den hügeligen Horizont ergoß, über die schweren Nebel flutete, die in den Baumgipfeln hingen, und flogen in Richtung Süden davon. Sie sollten eine wandernde Menschengruppe mit Tieren finden, die vielleicht mit Musik und akrobatischen Kunststücken auf sich aufmerksam machen würde.
Myrddin hatte gut gegessen, fühlte sich wohl und ausgeruht, als die Vanyar aufgestiegen waren. Er sah den Ausschnitt des Himmels zwischen den Graten des Hart Fell und er wollte ein Stück durch den Coed Celyddon laufen. Hörn und die Wölfe sollten ihn begleiten. Auch ihnen würde es nach einer langen Nacht guttun, in der sie nur gesessen und sich unterhalten hatten, die steifen Glieder zu bewegen. Myrddin steckte seinen leuchtenden Kristall in den Beutel, ging zum Wasserbecken und wusch sich sein Gesicht und die Hände. Als er Akita und Pacis unentschieden stehen sah, ging er zu der Wölfin, streichelte ihr den Kopf, lachte sie an und hob sie plötzlich mit den Armen unter ihrem Bauch hoch.
„Akita … jetzt wollen wir dir die Müdigkeit aus dem Pelz waschen. Ha … das wäre doch gelacht, wenn du nicht Lust bekommen solltest …“, meinte er, trug sie zu seinem Badebecken, während sie sich sträubte und winselte und ihm das Gesicht leckte.
Obwohl sie strampelte, legte Myrddin sie lachend in das Wasser, aus dem sie aufsprang, sich schüttelte und mit staksigen Beinen auch zu lachen begann. Sie kam zu ihm gelaufen, leckte ihm die Hand, und Myrddin streichelte die schöne Wölfin, sah zu Hörn und dem freundlichen Pacis, die in das Lachen eingestimmt hatten, und fragte:
„Na, was meint ihr? Soll ich euch nun die Bäume zeigen, die ihr noch nicht kennt …?“ und gemeinsam brachen sie auf, durch die Hohlgasse hinab in seinen nebelverhangenen Coed Celyddon.
XXX
Die Wölfe streifen in der Nähe Hörns und Myrddins durch die geheimnisvollen Nebelschwaden, die zwischen den Baumstämmen wallten. Felsiger Boden und verkantete Massive von Gesteinsblöcken tauchten schwarz und stumm aus der Zeit. Flechten und Moose auf ihren rissigen Oberflächen ließen ihr Alter vermuten und Pilze an den Bäumen die verkommene Luft erahnen, durch die sie liefen.
Akita und Pacis hatten bei Myrddin erfragt, ob sie sich Kleintiere erjagen dürften, und der Zauberer ließ sie ziehen. Menschen hatte er in diesem Wald niemals befürchtet und niemanden, der ihn in seinem Nebel überraschen könnte. Und Hörn war stolz auf seinen fähigen menschlichen Meister, den er zum ersten Mal auf seinem Rücken tragen durfte, seitdem sie Norwegen verlassen hatten. Es hatte sich zwischen ihnen nichts verändert. Sie waren sich gegenseitig zugetan wie ehedem.
„Weißt du, Hörn, was ich denke?“ sagte Myrddin. „Der Wald … er ist tot. Spürst du das auch?“
„Ich spüre jetzt, was du meinst. Aber in wie fern betrifft es dich, Merlin?“
„Ich meine, er hat sein Wesen verloren – er ist in sich zusammengefallen, Hörn. Seine Farbe und sein Holz … Höre doch nur einmal: es klingt ganz anders als damals. Und es betrifft mich, weil es mein Wald gewesen ist. Es ist unser Coed Celyddon, mein Lieber. Es war unsere Zuflucht. Wie könnte es mich nicht betreffen?“
„Kränkt es dich, daß er sich verändert hat?“
„Er hat sich nicht verändert. Er ist gestorben. Es ist wieder etwas gestorben, was und nicht mitgenommen hat. Bei uns bleiben wieder nur die Bilder und alles andere geht seiner Wege.“
„So willst du es sehen, Merlin, aber so ist es nicht. Du meinst, du müßtest betroffen sein, kannst es aber nicht sein, weil es nicht dein Wald gewesen ist. Du hast ihm ein Wesen gegeben, das für dich jetzt gegangen scheint. Du hast geglaubt, es würde auf dich warten können. Meintest du, daß du gehen könntest, wohin du möchtest, und alles andere würde so bleiben, wie es dir lieb wäre? Ist das nicht eine übertriebene Anmaßung …?“
„Und außerdem, Hörn … Wo sind die Tiere? Wo sind die Dohlen, zu allererst Ribes? Und dann die anderen Vögel? Eine Lerche habe ich bei meiner Ankunft gehört.“
„Sie haben sich wie der Wald verwachsen. Alles geht seiner Wege, und du, Merlin … auch du wirst nicht bleiben können – und ich werde mit dir gehen. Es ist nicht das Wesen des Waldes, das dich
Weitere Kostenlose Bücher