Myrddin
morgens über ihr Bad gelacht hatten.
Akita spürte es als erste und wußte nicht, ob sie einen unverzeihlichen Fehler begangen hätte, indem sie Myrddin in das Wasser gestoßen hatte. Winselnd legte sie sich plötzlich auf den Felsen, aus dem das Becken geschlagen worden war. Und Myrddins Spaß verflog.
Hörn und Pacis sahen die Wesensveränderung von ihr, konnten sie sich aber nicht erklären.
„Akita, was ist mit dir?“ fragte Myrddin, der noch immer im Wasser saß. Sie winselte nur und legte den Kopf zwischen ihre Pfoten, sah ihn um Verzeihung bittend an und winselte, wie Myrddin es bei ihr noch nicht erlebt hatte. „Was hast du, Akita? Ich nehme es dir nicht übel!“ beteuerte Myrddin. Aber sie antwortete ihm nicht.
Myrddin schaute zu Hörn, dann wieder zu der Grauwölfin, stand auf und blickte in den Himmel. Dort stand der Große Wagen, der in den Westen aufbrechen wollte – und von dort kamen plötzlich die finsteren Nebel, auf die er gewartet hatte.
„Hörn …! Die Gwyllons …! Sie kommen …“, rief er halb erschrocken, halb benommen. „Die Gwyllons …!“ und mit gebieterischer Stimme befahl er: „Akita, geh zu Hörn und Pacis! Rührt euch nicht von der Stelle! Ihr Wölfe … denkt an Schweden, an Melchor, an euer Rudel und an eure Familien, die ihr haben wollt! Habt ihr das verstanden …?!“ Und Akita sprang mit geducktem Kopf und eingeklemmten Schwanz auf, huschte zu Pacis und legte sich zu ihm. Keines der Tiere konnte sich der Veränderung mehr entziehen. „Denkt an Schweden …! Hörn und ich werden über euch wachen! Schließt die Ohren und Augen … und vergeßt mich! Es hat mich nie gegeben …!“ schrie er und Hörn legte sich vor die Wölfe, wendete seinen Kopf ab und wollte nur, daß es ihm und den Wölfen erspart geblieben wäre, die Gwyllons zu erleben.
Myrddin hatte sich inzwischen erhoben, seine Arme in den Himmel gestreckt und schrie mit versteinertem Gesicht in die Nacht.
Ein Zittern ging durch den Felsen, als die Wölfe sich nach Schweden aufmachten und ihr Bewußtsein in die Höhle von Melchor befahlen. Grollen lief von oben herab und der Geruch schwefeliger Flüssigkeiten fiel wie über die Steine der Felsgrate. Eine grauschwarz wallende Wolke stürzte sich als Meteorit auf den Seher. Heerscharen der Totenreiche hatten ihre Tore geöffnet und kamen mit eisigem Hohn und rostigen Rüstungen zu ihm, dem sie befohlen waren. Sie senkten sich über ihn, preschten mit ihrem sausenden Späher durch die widerhallenden, abgründigen Schluchten des Hart Fells, brachen das Gestein in rohen Berührungen, und grelle, schmerzhafte Blitze funkten aus der Wolke, die sich über sie gelegt hatte. Beben in den Gebirgen der Welten, in die sie gefallen waren, rüttelten an der Kruste aller Gesteine und der Seher schrie. Wütend konnte man ihn hören, und verzweifelt krallte er sich an seine Besinnung. Es tobten die Gewalten, die Ozeane miteinander vermischten. Es ballte sich eine Kraft, und Energie befreite das Dröhnen. Tausende von Reitern waren über sie hergefallen, und die unbändige Natur der Pferde stampfte wild in der Luft, als wolle sie nicht verharren. Wolkendunst flimmerte vor der Grotte und hüllte seine Salze. Eine tintige, massige Luft vibrierte um den Hart Fell … und die Geräusche entfernten sich. Das, was aus Felsen war, schien zu Staub geworden, und die Geräusche, sie verschwanden in der Nacht. Sie zogen sich aus der Schlucht zurück und verschwanden in der Dunkelheit, aus der sie gekommen waren. Sie zogen über den Horizont des Nordens. Und die Tiere blieben auf dem Felsen zurück, der seine Angst ausatmete.
Das Licht des Kristalls war erloschen. Graue, wallende Schwaden lagen über den Lebewesen, die das Geschehene wirklich erschienen ließen. Wie lange mochte es gedauert haben? Wo standen die Sterne? Oder sollte es sie nicht mehr geben? Wie war man gewandert, und wo war der Zauberer?
Hörn fand seine Besinnung als erster wieder. Er kam auf die Beine und mußte zu Myrddin gehen. Er war sicher, daß sein Freund ihn brauchen würde, wenn die Gwyllons ihn halb wahnsinnig auf der Erde zurückgelassen hatten. Doch Hörn erschrak, als er Myrddin im Wasser stehen sah. Sein Gesicht war weiß, seine Haare wehten in einem Wind, der aus einer anderen Welt kommen mußte, da es keine Luftbewegung gab. Und Myrddin stand wie Yggdrasil. Seine Arme hingen herab und der Hirsch sah einen ermüdeten Riesen auf den Schlachtfeldern stehen – einen letzten, der seinen Glauben und sein
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