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Myrddin

Myrddin

Titel: Myrddin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Saunders
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ihm geteilt hatte. Er selbst empfand anders als Merlin, doch er sah die Krankheit der menschlichen Macht, nach der die einen gierten, um sie den anderen wegzunehmen, um die letzteren dann zur Anerkennung der gestohlenen Macht heranprügeln zu können. Das war eines der Übel der Menschheit – auch damals schon. Wahrscheinlich hatte man nur die Methoden über die Jahrhunderte verfeinert. Doch auch darin sollten sie verderben und es hielt die Menschen von besserem Tun ab. Oder sah er es verkehrt? Hörn wußte nicht, was das Bessere hätte sein können.
    „… und ich weiß es auch nicht, Hörn …“, meinte Merlin, dem die Gedanken Hörns vor Augen waren. „Es geht mir wahrscheinlich nur um mein Wissen und nicht um die Begriffe irgendeiner Moral. Ich möchte niemanden bekehren … heute keinen mehr zum Denken anhalten müssen, wie ich es einst tat. Oder das Unrecht der Welt hinausschreien, das ich wahrscheinlich gar nicht genau kenne. Diejenigen, die sich gegen erkanntes Unrecht nicht selbst auflehnen, haben es nicht anders verdient. Es geht mir nicht um Gutes oder Böses. Es gibt nur den Grat des eigenen Verantwortungsbewußtseins, dem ich mich stelle … und es gibt meine Freunde …, die vielen, guten Freunde“, sagte Merlin.
    Der Wind hatte aufgefrischt und die Luft roch schon nach dichten, wattigen Flocken, die in ein Gestöber ausbrechen wollten. Im Osten war noch ein freier Streifen mit Gestirnen zu sehen. Der restliche Teil der Kuppel hatte sich bedeckt. Merlin stand auf, schlug auf die Hinterschenkel von Hörn und meinte, daß sie sich auf den Weg machen sollten. Es wäre eine gute Zeit, eine etwas wärmere Nacht und die Spuren, die man ziehen würde, wären bald verwischt.
    „Und du, Hörn, bekommst den Wurzelstock, die feine, zauberkräftige Medizin“, schmunzelte Merlin.
    Die Wölfe hatten ihren Trank bereits getrunken und warteten nur noch auf Merlin und Hörn. Carus sprang weniger ängstlich in das Boot, als er aus ihm herausgehüpft war, legte sich zu Merlin, der die Decke dicht um sich zog, und geisterhaft machten sie sich wieder auf den Weg durch die Nacht.
    Die ersten Schneeflocken federten im Wind aus den Wolken, als sie lostobten, durch den knirschenden Schnee stoben, mit kräftigem Wind im Rücken. Es wäre für sie märchenhaft gewesen, hätten sie sich durch die weißen Täler drängen und liebliche Landschaftslinien sehen können – nicht den Winter, sondern die Weihnachtszeit erlebt, im Tiefschlaf verschneiter Tannen und Föhren. Doch den Gefährten waren die malerischen, idyllischen Gegenden Norwegens zu bewohnt. Selbst die adventlichen Gefühle der Menschen konnten gemeine und rohe Charakterzüge nicht unterdrücken. Weihnachten war auch kein Schutz für die Wölfe. Schonzeiten für die Wölfe gab es nicht.
    Und die Wölfe liebten den Himmel, die eisige Luft und die guten Geschichten, das Gebirge und die tiefen Weiten des Nordens – und mehr noch als alles andere lieben sie den Geruch eines jeden Morgens.
    Merlin dachte an Weihnachten und versuchte sich an die Bräuche zu erinnern, von denen man ihm erzählt hatte. Waren es die Gänse, die ihm davon berichtet hatten? Er konnte es nicht sagen und dachte wieder daran, wie die Menschen gut und böse unterschieden. Gut war das gewesen, was gehorchte, was schenkte, was gab, und böse war, was widerspenstig blieb, ungezogen, ungehorsam, aufsässig. Gutes zauberte ein Lächeln uneingeschränkter Zustimmung auf die Gesichter, und böse war, was nicht hören wollte, was nicht parierte – was man nicht verstand. Derjenige, der sich verschwendete, sich für einen anderen aufgab … der war gut. Ihm galt die Achtung desjenigen, für den er sich verschwendete.
    Schnell sprach man von vorbildlich, machte Heilige nur aus den Guten, und so wollten die Menschen sie haben: pflichtgetreu, gehorsam, brav, arbeitsam. Das Rechte tun hieß immer, sich einer Obrigkeit zu unterwerfen. Schon damals , dachte Merlin. Gut ist der, der bloß nicht selbständig denkt, sondern es nur glaubt und immerfort das Gute findet, weil man ihn lenken konnte.
    Er wußte von dem guten Weihnachtsmann, der Geschenke brachte, und von den bösen Druden, die Krankheiten brachten, auch von dem bösen Teufel, der die Seelen stehlen sollte. Was für eine primitive Psychologie, in der sich die Menschen erziehen und erziehen lassen, dachte er sich. Ein guter Gott, der nach dem Tod belohnt … und ein böser Satan, der zu Lebzeiten verführt.
    „Ist die Menschheit zu dumm, den

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