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Myrddin

Myrddin

Titel: Myrddin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Saunders
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versteinert stehen. Sie konnten nicht weit genug sehen, um irgend etwas auszumachen. Als das kreischende Quietschen nachgelassen hatte – es konnte nur einen Augenblick gedauert haben – hörten sie laute Stimmen, die dann wieder in der Stille verschwanden. Und die brummenden Vibrationen in dem Eis waren vollends verstummt.
    Merlin und Melchor erhoben sich. Der Seher gebot Hörn zu warten und schlich sich mit Melchor weiter. Melchor versagten vor Angst fast die Beine und er wußte nicht, ob er knurren oder winseln sollte, blinzelte nur treu ergeben den voranpirschenden Zauberer an, dem er trotzdem folgte. Merlin konnte sich des Gefühls nicht erwehren, daß sie eigenartigerweise bergan zu laufen schienen.
    „Melchor, laufen wir an irgend etwas hoch, oder täuschen mich meine Sinne schon?“ fragte er den Wolf unsicher.
    „O Sar Merodak, lasse uns umkehren … Meine Sinne verraten mir gar nichts mehr. Sie sind durcheinander und stürzen mich in Angst und Schrecken, ohne daß ich es wollte. Da sind jedenfalls Menschen … und ich handele gegen meine Natur“, stöhnte er.
    „Melchor, was für ein Wolf bist du, wenn du dich wie ein Karnickelbein vor Angst windest“, flüsterte Merlin verärgert und fügte eine Entschuldigung hinzu. „Ich habe es nicht so gemeint, wie es für dich geklungen haben muß. Aber sage doch: gehen wir nicht aufwärts?“ fragte er abermals, als er über etwas stolperte, das unter dem tiefen Schnee lag.
    Das Eis, über das sie liefen, war nicht mehr glatt. Es hatte sich schollenrissig übereinandergeschoben und war dann scharfkantig zusammengefroren. Und wie aus dem Nebel tauchend ragte plötzlich in unmittelbarer Sichtweite vor Merlin eine Säule unvorstellbaren Ausmaßes in den Himmel. Melchor wagte nicht mehr zu sprechen und beide erschraken. Der Grauwolf blieb im Schnee liegen und war durch nichts zu bewegen, sich dem bombastischen Ding zu nähern, während Merlin vorsichtig, jedoch ohne Angst, auf die Himmelsstrebe zulief.
    Melchor hätte sich am liebsten im Schnee vergraben, schloß die Augen und wollte sie niemals wieder öffnen müssen. Er wollte liegen, schlafen und träumen … und nicht wie Merlin an dem Gebälk des Himmels rütteln, das sich vor ihnen aufgetan zu haben schien.
    Der Zauberer stand nun vor der eisbekrochenen Säule, klopfte mit seinem Stab an den Träger des gewaltigen Himmelsdaches und begann zu lachen. Erleichtert rief er dem Wolf zu: „Melchor! Es ist nur künstlich! Menschenwerk …! Und hier stehen insgesamt vier dieser Säulenpfeiler, soweit ich erkennen kann. Komm her und sieh es dir selbst an, damit du deiner Familie davon erzählen kannst. Wer weiß, wozu es nützt …!“ Und es war ihm nicht ganz wohl bei diesem Anblick.
    Melchor öffnete die Augen, sprang winselnd auf, rannte zu Merlin, so schnell er konnte, und legte sich zu seinen Füßen. Neben dem Zauberer traute er sich schon mehr zu und so blickte er vorsichtig um sich. Er sah vier imposante Säulen in die Höhe ragen, bemerkte geringeren Schneefall und sah das Eis an der Menschenkunst mehrere Meter hochlecken. Über ihnen war ein gewaltiges Dach, das sie nicht genau sehen konnten. Und von der Mitte des Daches lief eine eiserne Stange in das Eis. Melchor fühlte sich, als wäre er in die gewaltige Höhle eines Riesen getreten. Von den Seiten des Daches hingen spitze Eiszapfen herab, die wie die scharfen Zähne eines weit aufgerissenen Fischmauls aussahen, oder wie der steife, schneeverklumpte Ziegenbart Merlins. Dann erst bemerkte er, daß die Schwingungen im Eis verschwunden waren. Das Zittern unter seinen Pfoten hatte aufgehört, während Merlin wie ein Tourist durch einen altertümlichen Tempel strich. Er staunte und hatte die Menschen vergessen, die sich nach Aussagen von Melchor irgendwo in der Nähe aufhalten mußten. Für Melchors Lungen war die Luft verpestet. Und Merlin empfand wie er.
    „Ein allmächtiger Dolmen, Melchor!“ rief er beeindruckt. „Er ist zwar nur künstlich … aber ist er nicht königlich? Für alle Zeiten in das Meer gesetzt. Hätten wir damals so etwas bauen können, dann hätte Cormac Mac Airt seine Herrschaft über ganz Europa ausweiten können“, schwärmte Merlin angesichts der grandiosen Architektur. „Seine Feinde wären vor Ehrfurcht von allein auf die Knie gefallen … für alle Zeiten. Oder ist dies Mächtige hier ein Portal zu dem Norden …? Zu dem Norden der Welt …? Der Eingang nach Y Gogledd …? Weder die Römer noch die Bestie Rhydderch

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