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Myrddin

Myrddin

Titel: Myrddin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Saunders
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unbemerkt von den Wölfen.
    Als sie Hörn allein stehen sahen, suchten sie eine Witterung von Merlin und begannen dann zu heulen – ein Ruf, der über das Eis zu Merlin drang … und Melchor nickte weise in großer Trauer zu Hörn.
    Dann flammte eine Sternschnuppe hell zwischen zwei Gestirnen auf … und erlosch.

XII
    Eine furchtbare Zeit sollte für Merlin angebrochen sein, eine endlich Zeit des Zweifels, der wohlbekannten Einsamkeit und der inneren Aufgabe. Tatsächlich war sich Merlin seiner Kraft nicht bewußt. Er handelte instinktiv, und der Rest Mensch in ihm wollte nicht sterben – er wollte ihn nicht verlasse und verschaffte sich mit Haderei Gehör.
    Der Seher hatte sich heimlich auf die Wanderschaft gemacht, folgte der Eingebung und seiner inneren Stimme, doch stand er von allen verlassen in der dunklen Öde der eigenen Lähmung. Zuerst hatte er noch vor sich hingesummt, doch schon sehr bald hatte ihn das gewaltige Nichts wieder, war er unter dem Sternenhimmel, der ihn mit seinen Freunden erfreut hatte – Hörn, der vor ihm über das Eis geschwebt und Akita, die neben ihm gelaufen war und der er hatte erzählen können – allein, hatte er jetzt die Leine selbst geschultert, zog ein albernes Boot über eine gräßliche Eisfläche, fror erbärmlich und hatte die Kraft verloren. Seine Spuren waren säuberlich verwischt und trotzdem schaute er zurück, ob nicht doch einer der Gefährten sich auf die Suche nach ihm gemacht hätte. Er drehte sich mehrmals um, war sich aber bald sicher, daß keiner der Wölfe gegen seinen Willen und gegen sein Gebot zu handeln gewagt hätte. Er allein hatte sich das Unternehmen vorgenommen und er allein stand mit HAMAMELIS auf dem Eis. Nicht einmal Hörn hatte sein bitteres Flehen um Gesellschaft vernommen.
    Die Last im Schlepp wurde ihm zu schwer, und er warf die Säcke mit dem Stockfisch aus dem Boot, da er sie nicht mehr benötige. Sie blieben auf dem Eis liegen. Sein Boot hätte leichter werden müssen, doch das Gewicht kam aus ihm selbst und wog deshalb doppelt. Sein Widerwille hatte sich zu den Kräutersäcken gesellt und thronte höhnend in dem Boot. Er lachte Merlin aus, ließ sich von ihm ziehen und lud den Gast Zwiespalt ein, der sich dazusetzte. Und vergnügt warfen sich die beiden Schüttelreime zu, die Merlin kaum ertragen konnte. Der Zauberer sang sich Melodien in die Ohren, die dem Gekicher anderer Stimmen Einhalt gebieten sollten. Trotzig zog er das Boot, in dem die Unwillkommenen hockten, ihn beobachteten, Verse gegen ihn reimten und ihm bald deutlich machten, daß sie seine wahren Freunde seien. Er solle sie ruhig prüfen. Doch Merlin war nicht bereit für sie. Er wehrte sich. Sie kamen und gingen, wie sie es wollten – sie waren nie gebeten und stets verführerisch.
    Merlin wurde ärgerlich, brüllte sie an, vertrieb sie aus seiner HAMAMELIS, doch sie kamen wieder, setzten sich frech auf die Säcke, bis der Zauberer anhielt, die Handschuhe auszog, Schweißperlen auf seiner Stirn zu Eis gefroren waren und er tief durchatmete. Er brauchte Gedanken, die ihn fesselten, die ihm ein Hafen sein konnten, ein fester Kai trotz jeder Strömung der Menschlichkeit in ihm. Er brauchte ein packendes Thema – Konzentration – denn es waren noch einige Tagesmärsche zu den Shetlands, falls der Weg zu den Inseln überhaupt gefroren wäre.
    Das wäre ein Thema gewesen: der Zustand seines Weges, das Wetter …! Und wenn es nun eine Rinne gäbe? Er hatte einmal Eisbrecher gesehen, die einen Konvoi von Schiffen anführten. Wie auf einen Faden gereihte Perlen waren sie langsam dem knirschenden Brecher mit flachem Steven hinterhergefahren. Es war eine Prozession gigantischer Mönche in den Kreuzgängen des Nordens gewesen. So eine Rinne könnte ihm schon Schwierigkeiten bereiten, und die Schiffe …? Sie waren nicht mehr wie vor Jahrzehnten aus Holz – zerbrechlich, und stärkere Stürme hatten von Jahrzehnt zu Jahrzehnt weniger Treibgut an die Küste in Nordnorwegen gebracht. Die Schiffe waren massiger. Sie waren wuchtiger geworden und gleichzeitig seetüchtiger in den Wellen. Sie waren geschmeidiger und doch robuster gegen die See. Früher hatte er Bücher gefunden – ein wesentliches Band zwischen ihm und er Welt, der Welt und ihrer Möglichkeiten … ihrem Horizont. Doch in den letzten Jahrzehnten waren die Funde weniger geworden und schließlich ganz ausgeblieben, als hätten die Menschen neue Seekarten gezeichnet, die keine Routen vor seiner Insel mehr beinhalteten.

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