Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Myrddin

Myrddin

Titel: Myrddin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Saunders
Vom Netzwerk:
kaum noch Halt finden konnte. Den Strick der HAMAMELIS ließ er nicht mehr los, seitdem der Wind das Boot einmal weggetrieben hatte. Doch mit seinem Laternenstab in der linken Hand stieß er kräftig auf das Eis.
    Merlin wußte nicht, daß er sich die ganze Zeit dem Rand einer Eisfläche genähert hatte, die nur wenige hundert Meter nördlich von ihm bereits von einer schweren See überspült wurde. Und hinter ihm war die Eisfläche, auf der er sich befand, bereits von dem kontinentalen Eis abgebrochen, so daß er eigentlich auf einer riesigen Scholle stand. Er wußte nicht, daß vor ihm die aufgewühlte See tobte und kein Frost dieser oder der kommenden Nächte das Weiterwandern ermöglichen würde.
    Und es geschah, was niemals hätte passieren sollen. Das Eis, das dicht genug gewesen wäre, um ihn zu tragen, sprang wie eine Glasscheibe an der Stelle, auf die Merlin mit seinem Stab geschlagen hatte. Und er nahm es zunächst nicht einmal war. Das Knirschen und Schaben des zersplitterten Eises hinter ihm wurde vom Wind fortgetragen, da er einige Schritte weitergegangen war. Doch wie ein Stein, von einem guten Steinmetz geschlagen, brach das Eis einen Augenblick später unter seinem Schlag sicher zu kleinen Schollen.
    Ein Zittern lief durch das gefrorene Wasser, und Merlin zog sein Boot, das sich plötzlich an einer ersten, scharfen Eiskante verfangen hatte. Er stemmte sich kräftiger nach vorne und riß das Boot auf seine Scholle, als er hinter sich die erste schäumende Gischt zwischen zwei Eisschollen hörte. Sie wurde wie aus Fumarolen herausgepreßt und fauchte mit Gewalt in die Nacht. Dann wurde der Untergrund, auf dem er stand, kippelig – eine Scholle, die auf dem Wasser zu wippen begann. Er sah in dem schwachen Licht seines Kristalls die grauen Wellenkronen einer aus ihrem Grund erschienenen See, die ihrer Haut entschlüpft war. Sie hatte sich das Eis von der Oberfläche gestreift und tobte wutentbrannt über die dünnen Schollen. Wie Spielbälle wurden sie hochgetragen, zerbrochen, übereinandergetürmt und zerschellt. Eine eisige, schwarze See leckte seine Scholle und kippte sie an einer Seite, um sie am Ende in sich zu verschlingen.
    Merlin konnte sich nicht mehr halten. Er hatte entgeistert dagestanden und das Unglück über sich zusammenbrechen sehen – ein Unglück keines Nanoks gleich. Es war das Ende aller Wege, die er gegangen war. So kam es ihm vor.
    Die Geräusche waren unheimlich knisternd, flüsternd, keifend und dann brüllten sie aus sich heraus. Die See leckte wieder an seiner Scholle und umspülte Merlin abermals. Es waren die furchtbaren Klauen Ägirs, die seine Beine umfaßten, und es war Eriu, die ihn nicht mehr haben wollte.
    Wie ein Tänzer auf den blankpolierten Steinen eines seifigen Parketts stand Merlin, fuchtelte wild mit seinen Armen, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren, verkrampfte seine Hand um den Hanfstrick und HAMAMELIS zirkelte über die auf hohen Wellen tanzende Eisscholle, die von einer See umgeben war, welche aus allen Eisritzen gebrochen kam und in höhnischer Verachtung ihr tödliches Spiel mit Merlin trieb. Was konnte dieser See ein menschlicher Gnom mit seinen Aufgaben bedeuten?
    Der Zauberer wußte nur, daß er in das Boot gelangen mußte. Er konnte sich nicht länger auf der Eisscholle halten. Das war ihm klar. Jedoch pendelte HAMAMELIS an seinem Strick, und es hätte größerer Geschicklichkeit bedurft, dieses Boot über die wiegende Scholle an sich heranzuziehen, da die See um Merlin herum urgewaltige Fluten zu gebären schien. Der Wind hätte ihn warnen müssen, dachte er … der Wind … und jetzt muß ich zu ­HAMAMELIS kommen. Das war, was gelingen mußte. In dem Boot wäre er sicherer als auf der glatten, feuchten Eisscholle.
    Eine von hundert großen Wellen spülte zischend über das Eis und erfaßte diesmal seine Beine, da er mit dem Boot beschäftigt war, das er zu sich heranziehen wollte, und die Gefahr des Wassers für Sekunden aus den Augen verlor. Außerdem konnte er auch nicht deutlich genug sehen, um entsprechend reagieren zu können, da es trotz seines Kristalls dunkel war.
    Das Wasser schäumte in starker Strömung um seine Beine, spritzte an den Knien hoch – bis über seinen Bauch –, in sein Gesicht, und Merlin fiel … Er stürzte in den eisigen Sog, wurde von ihm mitgerissen und verlor die Eisscholle unter sich, die ihn wie eine schräge Fläche in die Nordsee entsorgte. Er versuchte sich festzuhalten und den nur geringsten Spalt in die

Weitere Kostenlose Bücher