Myrddin
seiner Idee erzählt hatte, flogen sie gemeinsam noch einmal zu Myrddin, prüften, ob die Schwimmer fest genug gebunden waren, und flogen dann zu der Küste von Whalsay zurück. Sie bedauerten, nicht mehr tun zu können, waren jedoch andererseits schon froh, Myrddin überhaupt irgendwie bewegen zu können – und es trieben unterschiedlich farbene Schwimmer, an Fischernetzgarnen gebunden, vor Myrddin, die ihn wie Enten in einer stillen Prozession an die Küste der Shetlands ziehen wollten.
Die Elfen hatten sich an einen scharfkantigen, hohen Felsen gehockt, die Graumäntel um sich geschlagen und spähten auf die offene See hinaus, auf der sich Myrddin zeigen, sein Stein des Alnilam sichtbar werden sollte, der für die Elfen weithin erkennbar durch die Nacht leuchten konnte, heller als für jedes Menschenauge.
„Meint ihr wirklich, daß wir alles getan haben, was in unseren Kräften liegt?“ fragte Halvdan nachdenklich und versuchte die praktizierten Überlegungen von den andern beiden Blondelfen zu verbessern, was ihm jedoch nicht gelingen wollte.
„Ich meine: ja. Der Gedanke von Caspar war großartig. Ich dachte an etwas wie ein Segeltuch, als er auf die Idee mit den Setzbojen der Fischernetze kam. Es war natürlich hilfreich, daß es auch in dieser Welt so etwas gibt und daß sie hier bedeutungslos herumlagen.“
„Also müssen wir nur noch warten, bis er hier angetrieben wird, meint ihr … oder nicht? Wir machen unsere Ziele abhängig von einem launischen Wind …“
„Ja … und hoffentlich gibt es keine mächtige Meeresströmung, die ihn von der Küste fernhalten könnte“, meinte Caspar. „Dann müßten wir uns etwas anderes ausdenken. Und es wird noch schwierig genug werden, falls er wirklich an die Küste gespült werden sollte, ihn dann auch unversehrt an den Sandstrand zu bringen.“
„Vielleicht wird es aber auch nicht so schwierig werden, wie du denkst. Myrddin ist naß und wir haben Eis. Falls wir also Glück haben sollten und er an einer Stelle mit Eis angespült werden sollte, wird er sich leichter über die Schollen ziehen lassen“, erwog Halvdan.
„Das kann sehr gut möglich sein …“, stimmte Caspar zu, schwieg dann und spähte auf das nächtliche Meer.
„Was aber machen wir, falls er wirklich schwer erkrankt ist, Elwe?“ erkundigte sich Halvdan, in der Hoffnung, daß der Vanyar Rat wissen würde.
„O … ich habe keine Erfahrung mit Menschenkrankheiten und so kann ich es dir nicht sagen. Ich weiß auch nicht, was er für Krankheiten haben könnte, falls er krank geworden sein sollte. Vielleicht gibt es solche, die wir nicht einmal bemerken würden.“
„Er kann seinen Gesang verloren haben, die Blätter seiner Geschichten – ja, vielleicht sogar sein Licht.“
„Und wäre das nicht schlimm?“
„Leider weiß ich wirklich nicht, wie man Menschen heilen kann, selbst dann nicht, wenn es sich um Menschen wie Myrddin handelt, der vielleicht gar kein richtiger Mensch ist, Elwe.“
„Ich auch nicht. Lasse uns also abwarten. Wir wollen nicht unken. Sollte etwas mit Myrddin geschehen sein, was wir nicht verstehen können, werden wir zu Hörn fliegen und uns bei ihm erkundigen. Er wird mit Myrddin mehr Erfahrungen haben als wir, findest du nicht?“
„Das werden wir tun müssen. Ich denke ebenso …“, erklärte Halvdan und schloß sich schweigend dem Blick von Caspar an.
Die Vanyar waren ein fröhliches Geschlecht, das eine Weisheit besaß, die man ihnen nicht zugetraut hätte, wenn man sie nur fröhlich miteinander sprechen hörte. Es waren ausgezeichnete Sänger und Schöngeister, begabte Handwerker und Philosophen und, falls die Umstände es erforderten, erstaunlich taugliche Strategen, die die Kenntnisse und Erfahrungen ihrer Ahnen umsetzen konnten. Sie waren in ihrem Zeitvertreib einfallsreich und mischten sich nur ungern in Angelegenheiten, die sie nicht unmittelbar betrafen. Sie waren eher bereit, Freunden zu mißtrauen, als ihnen unaufgeforderte Hilfe anzubieten, da man ihr Geschlecht allzuoft ausgenutzt hatte. Von der Menschenwelt hielten sie sehr wenig und konnten sich noch weniger für ihre Bewohner begeistern. Für sie waren die Menschen ein tumbes, kaltes Volk, das ihrer Art nach Ameisen glich, mit denen die Vanyar nichts gemein hatten – noch haben wollten. Sie waren erfüllt von sich selbst und ihrem Frieden, den sie gefunden hatten. Sie waren wieder glücklich und heiter und konnten sorglos durch ihre Reiche der Anderswelt reisen, wann immer und wohin
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