Myrddin
sie wollten. Dennoch wachten sie aufmerksam über ihren sensiblen Frieden und waren stets auf der Hut vor Krisen und Unruhen. Sie waren für ihre Verhältnisse zurückhaltend und bescheiden und liebten nichts mehr als eine gute Sicht und die Blicke in ihren Sternenhimmel. Oft kam es vor, daß sie über lange Zeit schwiegen, weil es nichts zu sagen gab und sie mit ihrem Glück allein waren. Und schweigend saßen sie auf ihrem Felsen, an der mit Eis und Schollen bedeckten schroffen Küste Whalsays, wußten, daß sie ihrer Kraft entsprechend getan hatten, was getan werden konnte, und hatten sich damit abgefunden, auf Myrddin warten zu müssen. Und ausgerechnet im Wind, den sie ganz und gar nicht mochten, mußten sie einen Verbündeten sehen, der die Schwimmer über die See treiben sollte. Ihre ganzen Talente hatten sie eingebracht und die Luftmassen drückten mit stetiger Stärke. Alle erdenklichen Voraussetzungen für ein Gelingen ihres Unterfanges schienen ihnen gesichert.
Sie hatten sicherlich nicht sagen können, wie lange sie gesessen hatten, als sie das Licht des Kristalls zwischen den Wellen in der Nacht schaukelnd auftauchen sahen – und es war bereits in Reichweite der ersten, kleineren Insel, an der sie vorbeigeflogen waren. Myrddin trieb auf einem Kurs zwischen den Out Skerries und Whalsay direkt auf das Mainland zu. Und die Elfen nahmen es mit Genugtuung zur Kenntnis, saßen auf dem Felsen, als würden sie seine Fahrt bewachen, und warteten ab. Sie konnten nichts mehr tun und wurden nicht gebraucht. Der Wind tat sein gutes Werk und trieb die sperrigen Gegenstände über das Meer. Die Blondelfen beobachteten scheinbar gelassen die Passage von Myrddin zwischen den Inseln der Shetlands.
Als Myrddin an ihnen vorbeigetrieben war, schwirrten sie hoch und machten sich auf den Weg zum Mainland, überflogen dabei den Seher abermals, da Halvdan die Zugbänder kontrollieren wollte, und warteten dann an der Ostküste der Hauptinsel der Shetlands. Wie von Geisterhand geführt wippte das Kristallicht heran, inmitten einer höher gehenden See, und tatsächlich gab es eine Strömung, die ihn genau auf die Klippen zuzutreiben schien, dann aber vor der Küste wendete und zwischen Whalsay und dem Mainland der südlichen Nordsee zustrebte. Immer noch sahen die Elfen zu. Sie sahen, wie der Wind die Schimmer vorantrieb, wie sich das Licht näherte, an Whalsay schon vorbeigetrieben worden war, und sahen dann mit Schrecken, wie Myrddin trotz eines gleichbleibenden Windes vor der Küste, an der sie wachten, in den Süden abgetrieben wurde. Halvdan stieg auf, betrachtete trotz des starken Windes das Ereignis aus der Höhe und rief zu Elwe und Caspar hinab:
„Wir müssen eingreifen. Ansonsten treibt uns Myrddin fort.“
„Was denkst du, was wir tun sollen, Halvdan?“ fragte Caspar.
„Ich weiß es noch nicht. Aber laßt uns bei Merlin bleiben. Vielleicht fällt uns etwas ein.“
Sie stiegen gemeinsam in die Höhe und flogen zu dem Zauberer, der sich in einem erbärmlichen Zustand befand, wie es den Elfen schien. Sie waren von der Seeseite Hamnavoes aufgestiegen und folgten der starken Meeresströmung in den Süden. Die Vanyar konnten eine Landzunge erkennen, vielleicht eine gute Bucht, und dorthin wollte sie Myrddin treideln.
„Wenn es Weinfässer wären, könnten wir sie flößen“, rief Elwe, der sich zu Caspar und Halvdan auf die Schwimmer gesetzt hatte, nachdem er sich von dem miserablen Zustand Myrddins überzeugt hatte. Sie saßen wie Reiter auf den Pferden eines Gespannes und wußten einfach nicht, wie die Rosse zu lenken seien, auf denen sie ritten.
„Wir können gar nichts tun, glaube ich. Wir haben zu warten und zu hoffen, daß wir an der Landzunge hängen bleiben, befürchte ich“, meinte Caspar. „Und seht doch: auch dort gibt es Menschen, die ihre Lichter angezündet haben …“, sagte er und deutete auf die Küste.
Trotz der Strömung trieb der Wind sie in den Westen, und vielleicht sollte es ihnen gelingen, Myrddin in die Bucht zu treiben, bevor er auf die offene See hinausgeströmt würde. Den Vanyar war der Wind unheimlich, und er wehte bereits so kräftig, daß sie sich nur mit äußerster Mühe auf den Schwimmern halten konnten. Ihre paarigen Flügel waren zerbrechliche Kunstwerke, die ihnen im Wind hinderlich geworden waren – boten sie ihm zuviel Angriffsfläche – und die sie, falls sie fliegen würden, wie trockenes Laub verwirbeln ließen. Dennoch riskierten sie viel für Myrddin und wären
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