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Myrddin

Myrddin

Titel: Myrddin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Saunders
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schweren Dinge ließe es sich viel leichter reisen, findet ihr nicht?“
    Die beiden anderen Vanyar stimmten ihm zu. Sie hockten auf dem Felsbrocken neben dem angespülten Myrddin und warteten im Morgengrauen auf das Erwachen eines sehenden Menschen. Sie hörten Motorengeräusche und Stimmen als Zeichen eines Dorflebens hinter sich und zogen sich ihre Graumäntel über die Köpfe. Die Vanyar glaubten, es sei ein gewöhnlicher Morgen für die Menschen, die ihren Geschäften nachgingen, von denen die Elfen nichts verstanden. Was sie hörten, würde niemals zu ihrer Welt werden können. Es waren nicht ihre Geschäfte und sie hatten sehr wenig Verständnis für den Lärm, der in ihren Ohren als Mißklang schmerzte, obwohl er einige Kilometer entfernt war. Außerdem verstanden sie nicht, wie Menschen überhaupt hören konnten, bei dem Gelärme, das ihre Art wohl an sich hatte. Die Menschen machten für sie sonderbare Musik, die sie nicht verstehen, der sie nichts abgewinnen konnten und mit der sich die Menschen nur zu betäuben schienen. Und wie immer in solchen Momenten verschwanden sie unter ihren Graumänteln und tuschelten in ihrer symphonischen Sprache über heimatlich Elfisches.

XV
    Es war ein kalter, gewöhnlicher, trüber Dezembermorgen für Jeremiah Palluck. Diesiger Nebel hing feucht über der Bucht. Die Konturen der umliegenden Berge der Küste waren – soweit sichtbar – graue Kolosse, die sich vor Jahrmillionen in die Nordsee gesetzt hatten und seitdem nicht wieder aufgestanden waren. Stürmen hatte sie getrotzt, Dunst und Regen hatten sie die Stirn geboten und ihren Sitz verteidigt.
    Jeremiah Palluck lebte in einem Bretterverschlag aus Treibholz nahe dem Strand. In den vielen Jahren, in dem er auf dem Mainland lebte, hatte er sich genug Holz sammeln können, um vor einer steilen Felswand eine schäbige Baracke zu bauen, die von keinem großen handwerklichen Können zeugte, armselig und brüchig, wie sie sich an den Felsen schmiegte. Trotzdem dampfte aus einem Rohr in dem verrotteten Dach Rauch. Die Tür, die er geöffnet hatte, um hustend und verkatert aus seinem Verschlag in die eisige Luft zu treten, war nur behelfsmäßig aus Latten und Decken zusammengehämmert und hing schief in den Angeln. Er selbst trug einen zerschlissenen Troyer, darüber einen nach Fisch stinkenden dunkelgrauen Webpelzmantel, geflickte Pluderhosen und feste Gummistiefel. Auf seinem Kopf hatte er eine Seemannsmütze, wenn er auch niemals zur See gefahren war. Sein Gesicht war von dem rauhen Klima, seiner Alkoholsucht und von Tabakgenuß zerfurcht. Rotgeäderte Augen lagen über tiefhängenden Tränensäcken und ein Stoppelbart belegte, wie er es mit der persönlichen Hygiene hielt: er war renovierungsbedürftig wie die Baracke, in der er lebte. In seinem Mundwinkel hatte er eine Pfeife. Den Kragen hochgeschlagen, machte er sich jeden Morgen auf den Weg durch die Bucht. Er lebte allein und schien daran gewöhnt. Adern unter seiner Gesichtshaut ließen die Maßlosigkeit seiner Trinkerei erkennen. Palluck allerdings genoß, was er seine Freiheit genannt hätte. Und für ihn hatte es darüber hinaus in den letzten Jahren keinen Tag gegeben, an dem er morgens nicht durch seine Bucht gelaufen wäre, die er Irene Bay nannte. Für ihn hätte die Liebe seines Lebens den Namen Irene tragen müssen. Und so hatte er seine Bucht nach seiner Liebe benannt, auf die er noch wartete.
    Auf Mainland erzählte man sich die Geschichte des verrückten Old Jerry, wie sie ihn gerne nannten, der nach dem II. Weltkrieg auf die Inseln gekommen war, Schafe gezüchtet hatte und dann eines Tages eine Nixe gesehen haben wollte, die in der Bucht geschwommen und dann wieder verschwunden war. Sie hätte auf einem der Felsblöcke gesessen und Old Jerry plötzlich gesehen. Daraufhin soll sie in Angst vor seiner Natur in das Wasser gesprungen sein und ihm aus sicherer Entfernung zugewinkt haben, bevor sie verschwand. Ob es sich wirklich so zugetragen hatte, wie der Volksmund erzählte, oder nicht – seit diesem Tag lebte Palluck in der Bucht und wartete auf sein Meeresfräulein, das er Irene getauft hatte. Er hatte seine Schafzucht aufgegeben und war nicht davon abzubringen, daß seine Nixe wiederkommen würde, um ihn zu sich zu holen, so unsterblich war er in sie verliebt.
    Es gab Menschen auf der Insel, die ihn verstehen konnten und ihn ob seiner Treue bewunderten, sogar beneideten, wie der alte Barney McCann und Paul Giddings. McCann hatte eine Frau heiraten

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