Myrddin
ihm die Wärme gab, die er als hoffnungsloser Trinker in seinem Alter noch suchte. Sie forderte nicht, brachte keine Unruhe in sein Leben, das ohnehin sehr eigenartig verlaufen war, und glaubte ihm manchmal sogar die Geschichte von seiner Nixe. Sie gab ihm immer das Gefühl, ein wertvoller, wenn auch verschrobener Teil ihrer selbst zu sein. Wie er war auch sie gebildet, und manchmal sprachen sie die Nacht hindurch über Dinge, die sich Menschen in der Dunkelheit erzählen können, wenn sie angetrunken die Welt um sich herum vergessen.
Palluck war durch die Musik in seinem Schaukelstuhl eingeschlafen. Das Feuer knisterte im Ofen und es war wunderbar warm. Der Nebel in der Bucht war noch dichter geworden. Die Whiskyflasche auf dem Tisch hatte sich geleert und die drei Elfen blickten durch das Fenster in die Baracke. Sie sahen Merlin unruhig im Bett liegen und sahen Palluck in seinem Schaukelstuhl, in dem er fest eingeschlafen zu sein schien. Durch das Fenster konnten sie Myrddins Kleidung in dem Raum hängen sehen, und Halvdan empfahl, sich vorsichtig in die Hütte zu wagen, um nach ihrem Menschen zu sehen und dann zu entscheiden, was zu tun sei.
Caspar, der der Geschickteste von ihnen war, öffnete vorsichtig die knarrende Tür. Palluck hob geistesabwesend seinen auf die Brust gesunkenen Kopf und stammelte phantasierend Leslie …? Lesl…? Les…?, bevor er berauscht weiterschlief.
Caspar verharrte im Türrahmen, schlüpfte dann hindurch, als er Palluck weiterschlafen sah, und schwirrte eiligst zu Myrddin.
Es war kein erfreuliches Bild für einen Vanyar, das sich ihm bot, wenn es Caspar auch nicht besorgniserregend schien. Myrddin lag in schwere, muffige Decken gewickelt auf einem Bett, stöhnte und phantasierte im Schlaf, drehte sich unruhig und fuchtelte mit den Armen plötzlich durch die Luft. Jedenfalls schien Leben in ihn gekommen zu sein, das Caspar zuvor nicht gesehen hatte.
Er hockte sich auf die Brust des Zauberers, gab ihm eine vorsichtige Ohrfeige, und Myrddin wollte im Schlaf zurückschlagen, verfehlte Caspar jedoch, da er augenblicklich aufgeflogen war, abwartete und sich dann wieder auf die Brust des Zauberers setzte, bevor er ihm behutsam die nächste Ohrfeige gab, um ihn endlich aufzuwecken.
Merlin schlug die Augen auf, schaute unsicher um sich, seufzte und sah in das strahlend weiße Gesicht von Caspar. Sein Atem ging schwerer. Er war erregt und konnte sich offenbar nicht besinnen. Er versuchte mit den Lippen Worte zu formen, die unverständlich aus seinem Mund hauchten, und Caspar stieß ihm mit der Hand liebevoll an die Nase, wie es die Blondelfen manchmal aus Freude und Übermut untereinander taten.
Außen am Fenster waren Elwe und Halvdan. Caspar drehte sich zu ihnen um, hob seine Hand zum Gruß und auch die Elfen in dem kalten Nebel begannen sich zu freuen. Sie hatten es geschafft. Ihr Myrddin, der Große unter den Menschen, war am Leben, und er hatte es ihnen, den Vanyar, zu verdanken.
Caspar blickte wieder in die jetzt weit geöffneten Augen von Myrddin und ein Lächeln huschte über das fahle Gesicht des Zauberers. Er schloß die Augen und öffnete sie dann wieder und sah immer noch eine froh strahlende Blondelfe auf seiner Brust sitzen. Dann hörte er das Schnarchen eines Fremden, tiefe Kehllaute eines Menschen, und Caspar schüttelte nur den Kopf, als wolle er Myrddin bedeuten wollen, daß alles in Ordnung sei. Myrddin versuchte Worte zu finden, versuchte zu sprechen, doch seine Stimme war noch sehr schwach. Dafür hörten alle Vanyar vorzüglich.
„Bist du, was ich sehe … von Guivienen …?“ hauchte der Seher.
„Nein, Myrddin. Ganz so stimmt es nicht. Aber unser Geschlecht kam von den Ufern des Guivienen“, klang Caspars Stimme hell wie im Wind bewegte, wundervoll klingende Bergkristalle.
„Dann … bist du eine Blondelfe … und ich, ich bin in der Anderswelt?“ fragte Myrddin schwach lächelnd in der wagen Hoffnung, bereits nicht mehr unter den Menschen sein zu müssen, deren Welt er nicht haben wollte.
„Ja … und nein. Ich bin ein Vanyar … doch du bist noch in deiner Welt.“
„In meiner Welt …?“ Das Gesicht des Zauberers verfinsterte sich wie unter großen Schmerzen.
„Du bist unter deinesgleichen“, freute sich die Elfe in der Meinung, daß es eine gute Nachricht für Myrddin wäre. Doch das war es ganz und gar nicht.
„Du meinst … es sind Menschen hier …?“ fragte Myrddin und schloß die Augen, da er eigentlich keine Menschen um sich haben
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