Myrddin
etwas mit Wasser zu tun gehabt haben mußte. Dann sah sie auch das Lederpaket auf dem Tisch und fragte ernst nach, ob sich Palluck nicht irren würde und ob er nicht doch vielleicht nach Neap gelaufen sei, um dort etwas mit anderen zu trinken, denn sie wollte ihm nicht unterstellen, daß er sie anlog. Immerhin hatte die größte Geschichte seines Lebens auch etwas mit Wasser zu tun.
Palluck jedoch verneinte das entschieden und blieb bei seiner Version, die er sie glauben lassen wollte.
„Ich werde mir den Mann einmal ansehen.“ Solche Fellkleidung, wie sie Merlin getragen hatte, hatte sie noch nie berührt. Sie ging zu ihm an das Bett und bat Palluck nur, daß er doch bitte die Kochtöpfe, die sie mitgebracht hatte, aus der Tasche nehmen und auf die Herdplatte stellen solle, damit sie etwas Warmes zu essen bekämen. Dann sah sie in das fremde Gesicht eines alten, schönen, schlafenden Mannes, der seit Jahren weder seinen Bart noch seine Haare geschnitten hatte. Sie schlug die Decken zurück und sah unter dem Wollmantel von Palluck das feine Leinenhemd des Fremden. Der Mann, der in dem Bett lag, atmete ruhig, wenn auch ein Zittern durch sein Gesicht und durch seine Muskulatur flog, was ihr jedoch kein Anzeichen irgendeines Fiebers zu sein schien.
„Kennst du ihn? Ich dachte, daß er vielleicht aus dem Ort kommt, Leslie“, fragte Palluck, während er sich um die Kochtöpfe kümmerte.
„Nein. Ich habe ihn noch nie hier gesehen“, erwiderte sie und zog Merlin die Decke vom ganzen Körper, bis auch die Füße freilagen. „O Jerry! Was bist du nur für ein Tunichtgut? Schau dir nur einmal seine Füße an. Du schüttest ihm nur Whisky in den Hals und kannst nicht mehr richtig aus deinen Augen gucken. Whisky. Whisky. Und dreimal Whisky. Verdammt! Und der arme Kerl hat Frostbeulen an seinen Füßen … wahrscheinlich an den ganzen Beinen …“, schimpfte sie und fühlte die Ober- und Unterschenkel von Myrddin ab. „Frostbeulen über die ganzen Beine verteilt. O nein … sieh dir das nur an. Die Beine sind ja ganz blaugefroren, Jerry. Dieser Mann braucht dringend einen Arzt …“
„Wieso? Die sehen doch auch nicht viel anders aus als meine …“, stammelte Palluck, als er einen Blick auf Merlins Beine warf.
„Ach, komm schon, Jerry. Kommt Patty noch …?“
„Bei dem Nebel …? Da traut sich keiner in die Bucht.“
„Was machen wir nur? Er braucht wirklich dringend Hilfe. Kannst du mit dem Fahrrad nicht nach Laxo fahren, Jerry? Du kennst doch die Bucht wie kein anderer“, sagte sie bittend, indem sie Merlin und die Beulen an seinen Beinen betrachtete.
„Leslie … ich bin vollkommen betrunken. Und ich bin seit Jahren schon kein Rad mehr gefahren … Wie lange ist es her …“, überlegte Palluck und wollte sich unter keinen Umständen zu einem Abenteuer hinreißen lassen.
„Komm, Jerry. Tu es mir zuliebe … und zeige mir mal, was noch für ein Kerl in dir steckt.“
„Laß das doch, Leslie. Wir beiden wissen, daß ich ein alter Suffke bin. Da muß ich mir nichts beweisen …“
„Aber du warst mal jemand, der mir gefallen hätte, Jerry. Bitte nimm dir ein Herz. Wenn ich könnte, würde ich fahren. Bei dem Nebel finde ich hier aber nicht aus der Bucht, und das weißt du. Du kannst dich doch sicherlich noch an Dr. Nat Chadwick erinnern …?“ versuchte sie ihn zu überreden. „Und du hast den Mann hier angeschleppt. Oder willst du, daß er vor deinen Augen stirbt? Weißt du, du trägst nun eine gewisse Verantwortung für ihn.“
„Aber es ging ihm schon besser, Leslie. Er hat schon gesprochen …“
„Dann hat er dir wahrscheinlich gesagt, was du für ein alter Trottel bist.“
„Nein … er hat von Elfen und solchem Zeug gesprochen“, meinte Palluck leutselig.
„Komm, Jeremiah. Schnapp dir dein Fahrrad und bring Chadwick her. Sag ihm, daß es sich um einen Notfall handelt. Ein Freund von dir ist ins Wasser gefallen und fast erfroren, okay? Sag ihm bloß nicht zuviel. Du weißt doch, wie neugierig die Leute hier sind.“
„Ach, Leslie … Das Essen ist gleich warm …“, meinte er, dem eine solche Fahrt mit seinem Fahrrad im Nebel nicht gefallen wollte. Solle ihm auf dem Weg ein Reifen platzen, dann müßte er den ganzen Weg laufen.
„Zeig mir doch, daß du noch zu etwas gut bist, Jerry. Ich bitte dich. Raff dich auf und mache dich auf den Weg“, sagte sie strenger. „Falls der Mann hier sterben sollte, hast du eine Menge Scherereien am Hals. Also beeile dich. Nimm noch einen
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