Myriams letzte Chance
âUnd du weiÃt, wo sie wohnt. Das ist doch schon mal was.â
âIch kenn die aber so gut wie gar nichtâ, wandte Myriam ein. âUnd bei der Adresse bin ich mir überhaupt nicht sicher.â
âWarum nicht?â, fragte April empört. âDu hättest mal bei ihr vorbeigehen können.â
âWir stellst du dir das vor? Ich kann nicht einfach bei ihr klingeln und fragen, ob sie bei unserem Workshop mitmachen will.â
âDas geht vielleicht in Amerikaâ, meinte Hannah. âAber hier in Deutschland kreuzen wir nicht plötzlich bei wildfremden Leuten auf und fragen sie, ob sie was mit uns unternehmen.â
âWildfremd? Ich denke, ihr seid auf der gleichen Ranch geritten?â, fragte April.
âNa ja â¦â
âIst auch egal. Ich komm mit, wenn du dich allein nicht traust. Vielleicht sagt sie Nein, dann gehen wir direkt wieder. Aber vielleicht ist sie auch begeistert und fällt uns vor Freude um den Hals, weil sie sich seit drei Wochen total langweilt.â
Myriam räusperte sich. âAlso â¦â
âAlso gut?â, fragte April.
Myriam seufzte. Gegen Aprils Optimismus und Unternehmungslust kam man einfach nicht an. âAlso gut.â
Tom
Rote Klinkerfronten, weiÃe Briefkästen, schwarze Dächer. In den Vorgärten blühten Margeriten, Ringelblumen und Männertreu. Die Häuser glichen sich wie ein Ei dem anderen. Und natürlich war Ellas neongrünes Mountainbike heute nirgendwo zu sehen.
âSind wir hier richtig?â, fragte April. â Are you sure? â
Myriam zuckte mit den Schultern. âIch glaube schon. Aber sicher bin ich mir nicht, das hab ich dir doch gesagt â¦â
âHinrichsâ, las April auf dem Klingelschild. âIst das ihr Nachname?â
âIch hab keine Ahnung!â, zischte Myriam.
Die ganze Aktion war total bescheuert. Sie sollten lieber schleunigst abhauen und die Angelegenheit vergessen. Wenn jede von ihnen zwanzig Euro drauflegte, hatten sie den fehlenden Teilnehmerbetrag locker wieder ausgeglichen.
Aber April dachte nicht daran aufzugeben. Stattdessen drückte sie auf die Klingel.
âAm besten ist es, wenn du redestâ, flüsterte sie Myriam zu, als hinter der Tür bereits Schritte zu hören waren. âImmerhin kennst du dieses Mädchen.â
Bevor Myriam widersprechen konnte, wurde die Tür geöffnet.
Vor ihnen stand ein Junge. Myriam kam er irgendwie bekannt vor, aber woher?
âHalloâ, sagte er und starrte sie fragend an. Offensichtlich wartete er darauf, dass sie etwas sagten. Aber Myriam fiel nichts ein. Ihr Kopf war wie leer gefegt. Der Typ sah gut aus. Er war ein Stück gröÃer als sie und hatte dunkle Locken und warme braune Augen, die gerade allerdings ziemlich irritiert wirkten.
âHiâ, sagte April und lächelte ihn an, wobei sie Myriam mit dem Ellenbogen in die Seite stieÃ.
Sag endlich was!, befahl sich Myriam. Aber was?
âWas ist?â Der Junge kniff die Augen zusammen.
âIch ⦠äh â¦â Myriam schluckte. âWir wollten eigentlich zu Ella.â
âZu Ella? Sie ist nicht hier. Seid ihr Freundinnen von ihr?â
Da. Jetzt fiel Myriam endlich ein, woher sie den Jungen kannte. Er hieà Timo oder so ähnlich und war Ellas Freund. Myriam hatte ihn ein paarmal auf Kingsize gesehen, wenn er mit Ella ausgeritten war. Er und Ella waren schon in der Neunten, zwei Klassen über Myriam und ihren Freundinnen.
âDu bist doch Myriam Freyâ, sagte der Junge auf einmal.
Sie musste wieder schlucken. âDu ⦠äh ⦠kennst mich?â
âKlar. Du warst der Star von Kingsize. Hm, ist ja dann nichts geworden mit dem Turniersieg.â
Myriam merkte, dass sie rot wurde. Der Junge wirkte plötzlich ebenfalls betreten.
âAlso, Ella ist nicht hier. Was wollt ihr überhaupt von ihr?â
Nun fiel es Myriam wie Schuppen von den Augen. Das war natürlich sein Haus. Immer wenn sie Ellas Fahrrad vor der Tür gesehen hatte, war sie bei ihm zu Besuch gewesen.
âHi, Iâm April .â April hatte offenbar genug von Myriams Stammelei. Sie streckte Ellas Freund die Hand hin und strahlte ihn an. Natürlich lächelte er sofort zurück. Kein Mensch konnte Aprils Lächeln widerstehen.
âIch bin Tom. Bist du Engländerin?â
â American. From California. Wir wollten Ella fragen, ob sie
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