Myron Bolitar 03 - Der Insider
gelobt zu viel.«
»Was?«
»Das ist Shakespeare«, sagte Dimonte. »Macbeth.«
Myron grinste. »Hamlet.«
»Ist mir doch scheißegal, wer das gesagt hat«, protestierte Peretti. »Du kannst doch nicht einfach den Ruf eines Menschen aufs Spiel setzen. Ich find das überhaupt nicht komisch.«
»Interessiert mich doch nicht, wie du das findest«, sagte Dimonte. »Hast du sonst noch was?«
»Sie trägt eine Perücke.«
»Eine Perücke? Kein Witz, Peretti. Dann ist der Fall ja so gut wie gelöst. Wir müssen nur einen Killer finden, der Perücken und falsche Titten hasst. Das bringt uns echt weiter, Peretti. Was für Höschen hat sie getragen, na? Schon dran gerochen?«
»Ich hab doch nur ...«
»Tu mir einen Gefallen, Peretti.« Dimonte richtete sich etwas weiter auf und zog sich die Hose hoch. Wollte damit zeigen, wie wichtig er war. Wieder diese unglaubliche Subtilität. »Sag mir, wann sie gestorben ist. Sag mir, wie sie gestorben ist. Dann sprechen wir über die modischen Accessoires, okay?«
Peretti hob ergeben die Hände und kehrte zur Leiche zurück. Dimonte wandte sich zu Myron. Myron bemerkte: »Implantate und Perücke könnten wichtig sein. Es war richtig, dass er Ihnen das erzählt hat.«
»Ja, ich weiß. Ich mach ihn halt gern ein bisschen runter.«
»Und das Zitat lautet: Die Dame, wie mich dünkt, gelobt zu viel .«
»Aha.« Dimonte wechselte den Zahnstocher. Der in seinem Mund war ausgefranst wie eine Pferdemähne. »Erzählen Sie mir, was hier los ist, oder muss ich Sie erst Downtown zerren?«
Myron zog eine Grimasse. »Mich Downtown zerren?«
»Versuchen Sie nicht, mich zu verarschen, klar, Bolitar?«
Myron zwang sich, die blutüberströmte Leiche anzuschauen. Wieder wollte sich sein Magen umdrehen. Langsam gewöhnte er sich an den Geruch - der Gedanke war fast so eklig wie der Geruch selbst. Peretti hatte sich wieder an die Arbeit gemacht. Er machte einen kleinen Schnitt, um an die Leber heranzukommen. Myron wandte den Blick ab. Die Spurensicherungsgruppe vom John Jay College nahm ihre Arbeit auf, machte Fotos und Ähnliches. Krinsky, Dimontes Partner, lief still herum und machte sich Notizen. »Warum hat sie sie so groß machen lassen?«, fragte Myron.
»Was?«
»Ihre Brüste. Ich versteh ja, dass eine Frau größere haben will. Diese ganzen gesellschaftlichen Zwänge und so. Aber warum so riesig?«
Dimonte sagte: »Jetzt wollen Sie mich aber echt verarschen, oder?«
Krinsky kam zu ihnen. »Ihre ganzen Sachen sind in diesen Koffern.« Er deutete mit der Hand auf zwei Taschen auf dem Boden. Myron war Krinsky vielleicht fünf-, sechsmal begegnet. Reden war nicht seine Stärke. Offenbar tat er das ungefähr so oft, wie Myron Schlösser knackte. »Wollte wohl grad ausziehen.«
»Hast du einen Ausweis gefunden?«, fragte Dimonte.
»In ihrem Portemonnaie war eine Karte auf den Namen Sally Guerro«, fuhr Krinsky mit leiser Stimme fort. »Das steht auch in einem ihrer Pässe.«
Beide warteten, dass Krinsky fortfahren würde. Als er das nicht tat, schrie Dimonte: »Was soll das heißen, in einem ihrer Pässe? Wie viele hat sie?«
»Drei.«
»Scheiße, Krinsky, erzähl.«
»Einer ist auf den Namen Sally Guerro ausgestellt. Einer auf den Namen Roberta Smith. Und einer auf den Namen Carla Whitney.«
»Gib her.« Dimonte durchblätterte die unterschiedlichen Pässe. Myron sah ihm über die Schulter. In allen Pässen waren Fotos von derselben Frau, wenn auch mit verschiedenen Frisuren (ergo Perücken) und verschiedenen Sozialversicherungsnummern. Der Vielzahl der Stempel nach zu urteilen, war sie weit herumgekommen.
Dimonte stieß einen Pfiff aus. »Falsche Pässe«, sagte er. »Und zwar ziemlich gute Fälschungen.« Er blätterte weiter. »Außerdem sind hier Stempel aus Südamerika. Kolumbien. Bolivien.« Er klappte die Pässe so energisch zu, dass ein lautes Schnappen erklang. »Gut, gut, gut. Wie's aussieht, haben wir es hier mit einer hübschen Drogengeschichte zu tun.«
Myron dachte darüber nach. Eine Drogengeschichte? War das die Antwort? Wenn Sally/Carla/Roberta mit Drogen ge-dealt hatte, könnte das ihre Verbindung zu Greg Downing erklären. Sie war seine Quelle. Dann hätten sich die beiden am Samstagabend nur zu einem Kauf verabredet. Der Job als Serviererin wäre bloß Tarnung gewesen. Das würde auch erklären, warum sie ein Münztelefon benutzte und ihre Tür so stark gesichert hatte - Selbstverständlichkeiten im Drogenhandel. Es klang logisch. Greg Downing machte
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