Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Myron Bolitar 03 - Der Insider

Myron Bolitar 03 - Der Insider

Titel: Myron Bolitar 03 - Der Insider Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harlan Coben
Vom Netzwerk:
Schlüsselbund. Dann ging er entschlossen zur Tür hinauf und wartete lächelnd, bis die beiden die Tür öffneten. Die Schauspielerei hätte er sich sparen können. Die beiden jungen Frauen - vermutlich Studentinnen - gingen durch die Eingangstür, ohne den Blick voneinander abzuwenden oder in ihrem Gespräch innezuhalten. Beide quasselten ununterbrochen, ohne dass eine der anderen zuhörte. Sie schenkten ihm keinerlei Beachtung. Wirklich eine erstaunliche Selbstbeherrschung. Aus dem Winkel konnten sie seinen Hintern allerdings auch nicht sehen, was ihre Selbstbeherrschung zwar weniger bewundernswert, aber doch ein wenig verständlicher machte.
    Er drehte sich noch kurz zu Norman um, der ihm dankbar zuwinkte. »Gehen Sie allein«, sagte er. »Ich will keine Probleme machen.«
    Myron ließ die Tür ins Schloss fallen.
    Der Flur entsprach seinen Erwartungen. Er war elfenbeinfarben gestrichen. Keine Streifen oder Muster. Der einzige Wandschmuck war ein riesiges schwarzes Brett, das sich wie ein schizophrenes politisches Manifest las. Zig Flugblätter, die alles Mögliche ankündigten, von einem von der Native American Gay and Lesbian Society gesponserten Tanzabend bis zu Dichterlesungen einer Gruppe, die sich Rush Limbaugh Review nannte. Ach, die schlichten Freuden des süßen Studentenlebens.
     Er stieg die von zwei nackten Glühbirnen erleuchtete Treppe empor. Die vielen Fußmärsche und Treppenbesteigungen begannen, von seinem kaputten Knie ihren Tribut zu fordern. Das Gelenk versteifte sich wie eine rostige Türangel. Myron spürte, wie er anfing, das Bein hinterherzuziehen. Er stützte sich aufs Geländer und fragte sich, was mit seinem Knie werden würde, wenn er das Arthrosealter erreichte.
    Der Grundriss des Gebäudes war alles andere als symmetrisch. Die Türen schienen rein zufällig in der Wand verteilt zu sein. Hinten in einer Ecke, in einigem Abstand zu den anderen Apartments fand Myron die Tür, auf der 2E stand. Es sah fast aus, als wäre das Appartement erst nachträglich eingebaut worden, als hätte jemand ungenutzten Platz im hinteren Teil entdeckt und sich entschlossen, noch ein oder zwei zusätzliche Räume hineinzubauen. Myron klopfte. Keine Antwort. Keine Überraschung. Prüfend sah er den Korridor hinunter. Niemand in Sicht. Er war froh, dass Norman nicht hier war. Einen Zeugen für seinen Einbruch konnte er wirklich nicht brauchen.
    Myron war nicht besonders gut im Knacken von Schlössern. Er war im Lauf der Jahre etwas besser geworden, aber das Schlösserknacken erinnerte ihn irgendwie an ein Videospiel. Man arbeitete lange dran und kam schließlich ein paar Level weiter. Myron hatte allerdings nicht daran gearbeitet. Es machte ihm keinen Spaß. Und als Naturtalent konnte man ihn auch nicht bezeichnen. Meist erledigte Win solchen mechanischen Kram für ihn, so wie Barney es in der Fernsehserie Mission: Impossible immer gemacht hatte.
    Bei der Untersuchung der Tür sank sein Mut. Selbst für New Yorker Verhältnisse waren die abschließbaren Riegel äußerst beeindruckend. Allein zwischen Türknauf und dem oberen Türrahmen waren drei übereinander angebracht. Beste Qualität. Und dem Glanz und den fehlenden Kratzern nach zu urteilen waren sie brandneu. Das war schon etwas eigenartig.
     War Sally/Carla einfach ein bisschen ängstlich, oder gab es einen anderen Grund für diese Sicherheitsvorkehrungen? Gute Frage. Myron sah sich die Schlösser noch einmal an. Win hätte sich über die Herausforderung gefreut; Myron wusste, dass jeder seiner Versuche zum Scheitern verurteilt war.
    Er überlegte, ob er die Tür eintreten sollte, als ihm etwas auffiel. Er beugte sich näher heran und starrte in den Türspalt. Die Riegelschlösser waren nicht geschlossen. Warum kauft man das teure Zeug und benutzt es dann nicht? Er probierte den Türknauf. Der war zwar blockiert, aber dafür reichte die Plastikkarte.
    Er holte die Karte raus. Er konnte sich nicht erinnern, wann er sie zuletzt benutzt hatte. Sie sah makellos aus. Vielleicht noch gar nicht. Er schob sie in die Öffnung. Obwohl es sich um ein altes Schloss handelte, brauchte Myron fast fünf Minuten, bis er die richtige Stelle gefunden hatte und der Schnapper sich öffnete. Er umfasste den Knauf. Die Tür öffnete sich.
    Er hatte sie erst gut zehn Zentimeter geöffnet, als der Geruch ihm in die Nase stach. Der grauenerregende Gestank entwich in den Flur wie Gas aus einer Druckluftflasche. Myron spürte, dass sein Magen sich umzudrehen drohte. Er

Weitere Kostenlose Bücher