Myron Bolitar 03 - Der Insider
zwar nicht den Eindruck eines Drogenkonsumenten, andererseits wäre er nicht der Erste, der seine Umgebung hinters Licht geführt hätte.
Dimonte fragte: »Sonst noch was?«
Krinsky nickte. »In der Nachttischschublade lag ein ziemlicher Batzen Bargeld.« Er hörte schon wieder auf zu sprechen.
Dimonte sah ihn verzweifelt an. »Hast du's gezählt?«
Wieder Nicken.
»Wie viel?«
»Etwas mehr als zehntausend Dollar.«
»Zehn Riesen in bar, was?« Das gefiel Dimonte. »Zeig mal her.«
Krinsky händigte ihm das Geld aus. Neue Scheine, mit Gummibändern zusammengehalten. Myron sah zu, wie Dimonte sie durchblätterte. Lauter Hunderter. Mit aufeinanderfolgenden Seriennummern. Myron versuchte, sich eine zu merken. Als Dimonte fertig war, schob er Krinsky den Stapel wieder hinüber. Das Grinsen war immer noch da.
»Tja«, sagte Dimonte, »wie's aussieht, fügt sich das alles zu einer hübschen Drogengeschichte zusammen.« Er hielt inne. »Da wäre nur ein Problem.«
»Was?«
Er deutete auf Myron. »Sie, Bolitar. Sie machen mir meine hübsche Drogengeschichte kaputt. Was zum Teufel machen Sie ...« Dimonte brach ab und schnippte mit den Fingern. »Verflucht noch eins ...« Seine Stimme versiegte. Er schlug sich an den Kopf. Der kleine Funke in seinen Augen vergrößerte sich. »Mein Gott!«
Wieder beachte man die Subtilität. »Haben Sie eine Idee, Rolly?«
Dimonte beachtete ihn nicht. »Peretti!«
Der Gerichtsmediziner blickte auf. »Was ist?«
»Diese Plastiktitten«, sagte er. »Bolitar ist aufgefallen, dass sie riesig sind.«
»Ja, und?«
»Wie riesig?«
»Was?«
»Wie groß sind sie?«
»Du meinst welche Körbchengröße?«
»Ja.«
»Seh ich aus wie ein Unterwäschefabrikant? Wie zum Teufel soll ich das denn wissen?«
»Aber sie sind groß, stimmt's?«
»Stimmt.«
»Echt groß.«
»Du hast doch Augen im Kopf, oder?«
Stumm beobachtete Myron diesen Wortwechsel. Er versuchte, Dimontes Logik nachzuvollziehen - ein tückisches Unterfangen.
»Würdest du sagen, dass sie größer sind als eine Wasserbombe?«, fuhr Dimonte fort.
Peretti zuckte die Achseln. »Hängt von der Bombe ab.«
»Hast du als Kind nie Wasserbomben gemacht?«
»Doch, sicher«, sagte Peretti. »Aber ich kann mich nicht mehr erinnern, wie groß die Ballons waren. Schließlich war ich noch ein Kind. Wenn man so klein ist, sieht alles viel größer aus. Vor ein paar Jahren bin ich mal zu meiner alten Grundschule gefahren, um meine Lehrerin aus der dritten Klasse zu besuchen. Die arbeitet da immer noch, unglaublich was? Mrs Tansmore. Ich schwöre, dass das Schulhaus für mich wie ein Puppenhaus aussah. Als ich klein war, ist es mir riesig vorgekommen. Es war wie ...«
»Okay, du Vollidiot, dann will ich das für dich mal vereinfachen.« Dimonte atmete tief durch. »Könnte man darin Drogen geschmuggelt haben?«
Stille. Alle im Raum hörten auf, sich zu bewegen. Myron war sich nicht sicher, ob er gerade die dämlichste oder die brillanteste Sache der Welt gehört hatte. Er wandte sich Peretti zu. Der sah sie mit offenem Mund an, als wollte er Fliegen fangen.
»Und, Peretti? Wäre das möglich?«
»Wäre was möglich?«
»Könnte sie Dope in ihre Möpse gesteckt und es darin durch den Zoll geschmuggelt haben?«
Peretti sah Myron an. Myron zuckte die Achseln. Peretti wandte sich wieder Dimonte zu. »Keine Ahnung«, sagte er langsam.
»Wie können wir's feststellen?«
»Ich müsste sie untersuchen.«
»Und warum verdammt noch mal guckst du mich dann an? Tu es.«
Peretti tat wie ihm geheißen. Dimonte lächelte Myron zu; seine Augenbrauen führten einen kleinen Tanz auf. Stolz auf seine Schlussfolgerungen. Myron schwieg.
»Nee, unmöglich«, sagte Peretti.
Dimonte war nicht glücklich über das Ergebnis. »Und wieso nicht?«
»Das Gewebe ist fast überhaupt nicht vernarbt«, sagte Peretti. »Wenn sie da drin Drogen geschmuggelt hätte, hätte man ihr die Haut aufschneiden und sie hinterher wieder zunähen müssen. Und beim Rausholen gleich noch mal. Dafür gibt's keine Anzeichen.«
»Bist du sicher?«
»Absolut.«
Dimonte sagte: »Scheiße!« Dann sah er Myron zornig an und zog ihn in eine Ecke. »Alles, was Sie wissen Bolitar. Und zwar sofort.«
Myron hatte überlegt, wie er mit der Situation umgehen sollte, aber eigentlich hatte er keine Wahl. Er musste ihm erzählen, was los war. Er konnte Greg Downings Verschwinden nicht länger geheim halten. Er konnte nur versuchen, so wenig Leute wie möglich einzuweihen.
Weitere Kostenlose Bücher