Mystery Thriller Band 224
sich zu ihr hinunter und schüttelte den Kopf. „Das ist doch bloß dummes Gerede! Die anderen Kinder wollen dich ärgern. Du brauchst nichts davon zu glauben, hörst du? Es gibt keinen Schwarzen Magier. Und auch sonst keine bösen Magier, die dem Teufel Mädchen opfern. Es gibt ja nicht mal den Teufel. Also hab keine Angst und geh jetzt ins Bett, ja? Ich komm gleich hoch und sag dir gute Nacht, einverstanden?“
Melissa nickte hastig und ging zögernd hoch auf ihr Zimmer. Die Worte ihrer Mutter hatten sie beruhigt, und nachdem sie ins Bett gegangen war und ihre Mutter das Licht gelöscht hatte, dachte sie gar nicht mehr an das Gerede der Jungs aus dem Kindergarten. Bald schlief sie ein. Doch dann kamen die Träume, und mit ihnen die Angst. Denn Melissa träumte von einer großen furchteinflößenden Gestalt mit einer hässlichen Maske. Dem Schwarzen Magier …
Melissa legte das schnurlose Telefon zurück auf den Dielenschrank und atmete tief aus. Nachdem der anonyme Anrufer vom Schwarzen Magier gesprochen hatte, war nur noch das Freizeichen zu vernehmen gewesen. Einige Sekunden (oder Minuten?) hatte Melissa einfach nur dagestanden und ins Leere gestarrt. Sie konnte nicht leugnen, dass sie sich mehr als erschrocken hatte. Der Schwarze Magier war nicht einfach eine Gestalt wie ein Vampir oder ein Gespenst, vor dem man sich als Kind ein bisschen fürchtete.
Nein, die Legende um den Schwarzen Magier war eng mit der Geschichte von Deadman’s Landing verknüpft, und als Melissa ein Kind gewesen war, hatte nicht nur sie Angst vor ihm gehabt, sondern alle Kinder, auch die, die sich über ihn lustig gemacht hatten. Und sie war ziemlich sicher, dass sich daran bis heute nichts geändert hatte …
Sie schüttelte den Kopf. Dachte sie jetzt ernsthaft über diese dämlichen Gruselgeschichten nach, vor denen sie sich mal gefürchtet hatte? Stattdessen sollte sie sich besser fragen, wer sich so einen blöden Scherz erlaubte – und wie um alles in der Welt derjenige auf den Gedanken kam, ihr mit so einer dummen Geschichte tatsächlich Angst einjagen zu können.
Der schwarze Henker wird dich vernichten, wenn du nicht aus Deadman’s Landing verschwindest … Lächerlich! Doch warum fühlte sie sich dann so unbehaglich?
Sie beschloss, den Anruf einfach zu ignorieren. Wenn sie sich darüber aufregte oder sich gar Angst einjagen ließ, erreichte der Spinner schließlich genau das, was er erreichen wollte. Um ihre Gedanken in eine andere Richtung zu lenken, ging sie wieder nach unten, um nun ihr Gepäck aus dem Wagen zu holen.
Doch schon während sie die Holzstufen hinunterstieg, deren leises Ächzen bei Stille immer noch so unnatürlich laut klang wie früher, fragte sie sich wieder, bei wem es sich um den Anrufer gehandelt haben mochte, und sie versuchte, die Sache so anzugehen, wie es von einer Polizistin zu erwarten war.
Als Erstes stellte sich da die Frage, wer überhaupt wusste, dass sie sich wieder in Deadman’s Landing befand. Nun, die Antwort auf diese Frage war einfach: vermutlich jeder. Zwar hatte sie selbst bislang nur mit ihrem Vater und Sheriff Latimer über ihre Rückkehr gesprochen, aber in einem Kaff wie diesem sprachen sich solche Neuigkeiten nun mal rasend schnell herum. Ihr Vater hatte mit Sicherheit längst seinen Stammtischbrüdern erzählt, dass seine Tochter endlich heimkam, und der Sheriff würde auch mit seinen Mitarbeitern und anderen Leuten darüber geredet haben. Inzwischen wusste es daher mit Sicherheit jeder im Ort.
Und damit auch Leute, die nicht sonderlich erfreut über ihre Rückkehr waren.
Melissa überlegte. Sie hatte nie zu den Beliebtesten in Deadman’s Landing gehört. Sowohl im Kindergarten als auch später in der Schule war sie eher eine Außenseiterin gewesen. Grund dafür mochte anfangs ihre eigene Schüchternheit und Zurückhaltung gewesen sein. Aber auch die Tatsache, dass ihr Vater als Arzt in Dedmon’s Landing zwar allseits beliebt, aber eben auch um einiges vermögender gewesen war als der durchschnittliche Arbeiter, hatte ihr von den anderen Kindern viel Neid entgegengebracht.
Nach den ersten schlechten Erfahrungen hatte Melissa eine Art Schutzmauer um sich herum gebaut und nur selten jemanden an sich herangelassen. Dadurch hatte sie allerdings kühl, abweisend und auch arrogant gewirkt, was dann alles nur noch verstärkt hatte. Zwar war sie nie ganz allein gewesen, nein: Ein paar Freundinnen, die zu ihr hielten, hatte sie immer gefunden.
Aber nie so eine echte Freundin
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