Mystery Thriller Band 224
das Wissen, dass sämtliche Zutaten garantiert aus ökologischem Anbau stammten, fand Melissa schon beruhigend.
Der Rest des Abends verlief dann wirklich sehr schön: Sie aßen, tranken, erzählten und lachten. Als Melissa dann aber irgendwann mal zur Toilette musste, fragte sie sich, was sie da eigentlich machte. Sicher, sie wusste jetzt, dass Brad keine Freundin hatte. Aber wie war es mit ihr selbst? War sie überhaupt bereit, sich neu zu verlieben? Nach Michaels Tod hatte sie jedenfalls nicht vorgehabt, so rasch wieder einen Mann in ihr Leben zu lassen.
Aber konnte man das wirklich steuern? So etwas wie Liebe ließ sich doch weder erzwingen noch unterdrücken – oder?
Sie war jedenfalls reichlich verwirrt, und dann war da auch noch diese mahnende Stimme in ihrem Hinterkopf, immer wenn ihr die seltsamen Ereignisse seit ihrer Ankunft in den Sinn kamen: der anonyme Anruf, der Drohbrief, die nächtlichen Geräusche … Hatte sie nicht eigentlich geglaubt, Brad könne dahinterstecken? Und was tat sie? Amüsierte sich bei Pizza und Cola mit ihm …
Andererseits: Nach der Unterhaltung mit ihm wusste sie nun schließlich, dass es gar nicht so war, wie sie geglaubt hatte. Er hatte nichts gegen sie, und deshalb gab es auch keinen Grund für ihn, derartige Drohungen gegen sie zu richten. Also konnte Brad ja gar nichts damit zu tun haben.
Dennoch – ein Restzweifel blieb bestehen, als sie schließlich aus der Toilette trat und wieder zu ihrem Platz ging.
Brad hatte sich wirklich wie ein Gentleman verhalten und Melissa nach dem Essen noch zu Fuß nach Hause begleitet, obwohl er praktisch ganz am anderen Ende des Ortes wohnte. Das hatte sie total süß gefunden, und als sie sich schließlich verabschiedeten, wäre es fast noch zu einem Kuss gekommen.
Aber nur fast, denn im letzten Moment hatte Melissa einen Rückzieher gemacht.
„Hör zu“, hatte sie entschuldigend zu Brad gesagt. „Um ehrlich zu sein, geht mir das alles etwas zu schnell. Du musst wissen, dass auch ich bis vor Kurzem einen Freund hatte und … Ich bin noch nicht darüber hinweg. Tut mir leid.“
Sie hatte erwartet, dass Brad enttäuscht reagieren würde, doch das war nicht der Fall gewesen. Nein, im Gegenteil sogar: Er hatte sehr verständnisvoll reagiert, sich ganz lieb von ihr verabschiedet und dann gewartet, bis sie ins Haus gegangen war.
Jetzt lief sie knallrot an, als ihr Vater aus der Küche kam und sagte: „Na, du scheinst dich ja sehr gut mit dem jungen Barlow zu verstehen. Ich habe euch gesehen, als ich gerade das Küchenfenster geschlossen habe.“ Er zwinkerte ihr zu. „Du hättest ihm aber auch ruhig einen Kuss geben können, Kleines.“
„Dad!“ Sie verdrehte die Augen. „Also, wirklich, ich … Ach, wie kommt es eigentlich, dass du zur Abwechslung auch mal zu Hause bist? Ist ja schon beinahe ungewohnt.“
„Dann gewöhne dich auch besser gar nicht erst daran, ich habe nämlich nur auf dich gewartet, um dir zu sagen, dass ich gleich wieder weg bin.“
Melissa runzelte die Stirn. Inzwischen war es halb zehn durch. „Du gehst weg? So spät noch?“ Dann wurde ihr klar, wie dämlich diese Frage war. Ihr Vater war ein erwachsener Mann und musste sich nicht vor seiner Tochter rechtfertigen. „Sorry, Dad, das geht mich natürlich nichts an, ich …“
„Schon gut, Kleines“, unterbrach ihr Vater sie. „Es ist auch nur, weil Greg mich gefragt hat, ob wir uns das Spiel zusammen ansehen.“
„Ach ja, der Superbowl …“
Ihr Vater musterte sie kurz aber eindringlich. „Hör mal, wenn du ein Problem damit hast, so viel allein hier zu sein …“
„Wie schon gesagt, Dad: kein Thema. Zumal du es ja wohl warst, der die ganze Zeit allein war, während ich in Boston gewohnt hab. Also hau schon ab!“
Ihr Vater lächelte ihr noch einmal zu, dann stieg er in seine Schuhe und warf sich seine Jacke über. Anschließend machte er sich auf den Weg, wobei er nicht durch die Haustür ging, sondern durch die Küche, von der eine weitere Tür in die Garage führte.
Kurz darauf hörte Melissa, wie er in seinem Wagen davonfuhr.
Einen Moment lang blieb sie einfach so in der Diele stehen und blickte sich im Garderobenspiegel ungläubig an. War sie das, die das alles heute erlebt hatte? Und hatte sie es tatsächlich erlebt oder war alles bloß ein Traum gewesen?
Sie konnte es noch immer nicht fassen: Brad hatte gar nichts gegen sie, mochte sie sogar – und, was noch viel unfassbarer für sie war: Er schien damals zu Schulzeiten ebenso
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