Mystery Thriller Band 224
wahre Wohltat für ihr erhitztes Gemüt. Doch als Melissa nun den Blick nach unten wandte, brach ihr sogleich erneut der Schweiß aus.
Denn der Karton, den irgendjemand auf die Türmatte gelegt hatte, stand zwar immer noch genauso dort wie vorhin.
Aber die tote Ratte war verschwunden.
Und nichts deutete darauf hin, dass sie jemals in dem Karton gewesen war.
„Ich schwöre dir, die Ratte lag in dem Karton! Sie war voller Blut, und der Kopf war … war …“ Melissa schluckte. „Der Kopf war abgetrennt.“
„Hey, jetzt mal ganz ruhig.“ Brad legte ihr sanft eine Hand auf die Schulter. „Du brauchst mir das nicht immer wieder zu versichern, ich glaube dir ja. Es ist nur so, dass …“
„Die Ratte jetzt weg ist, ich weiß.“ Aufgewühlt fuhr Melissa sich durchs Haar. Immer wieder blickte sie zu dem Karton, der immer noch dort stand, wo sie ihn vorhin vorgefunden hatte. Von der Ratte fehlte – natürlich – weiterhin jede Spur.
Brad, der auffallend schnell hier gewesen war, nickte ihr jetzt noch einmal zu, dann kniete er sich neben den Karton und nahm ihn genauer in Augenschein. Im grellen Schein seiner Halogentaschenlampe, die er aus der Innentasche seiner Jacke geholt hatte, sah auch Melissa, was im Inneren des Kartons war: nämlich nichts.
Absolut gar nichts.
„Wenn du sagst, dass die Ratte voller Blut war, dann kann das nicht der Karton sein, von dem du gesprochen hast. Hier gibt es nämlich keinerlei Rückstände.“ Er blickte zu Melissa hoch. „Bitte, versteh mich nicht falsch, Melissa“, sagte er betont einfühlsam. „Aber bist du dir wirklich sicher, dass … dass da wirklich eine Ratte war?“
Statt zu antworten brach Melissa in Tränen aus.
Sofort war Brad bei ihr. „Hey, schon gut“, sagte er beruhigend. „Schon gut, es ist alles in Ordnung.“
„Nein, nichts ist in Ordnung, gar nichts!“ Hastig trat sie zwei Schritte zurück und blickte ihm in die Augen. „Ich meine, ich bin doch nicht verrückt! Erst dieser Anruf, dann der Brief, der übrigens auch spurlos verschwunden ist, jetzt die Sache mit der Ratte … Ich versteh das alles nicht! Was ist hier los?“
„Anruf? Brief?“ Brad zog die Brauen zusammen. „Was meinst du damit, Melissa? Hast du schon länger Probleme?“
„Länger?“ Melissa lachte bitter. „Nein, ehrlich gesagt nicht. Bloß erst, seit ich nach Deadman’s Landing zurückgekehrt bin.“
Brad, der langsam zu begreifen schien, dass Melissa wirklich verzweifelt war, nickte ernst. „Dann sollten wir mal darüber reden, denke ich. Also: Wenn du mir zeigst, wo die Küche ist, mach ich uns einen Tee. Und dann erzählst du mir in aller Ruhe, was vorgefallen ist, okay?“
Einen Augenblick lang zögerte Melissa. War sie nicht vorhin noch, bevor sie den Karton entdeckt hatte, zumindest ein bisschen davon ausgegangen, dass es durchaus Brad sein konnte, der hinter den mysteriösen Ereignissen steckte, die ihr widerfuhren, seit sie in Deadman’s Landing angekommen war? Wieso sollte sie sich dann ausgerechnet ihm anvertrauen?
Und wieso hast du ihn dann überhaupt angerufen? meldete sich eine höhnisch klingende innere Stimme zu Wort. Das hättest du dann auch lassen können, nicht wahr?
Es stimmte: Sie hatte Brad angerufen, weil er derjenige war, den sie in diesem Augenblick bei sich haben wollte. Weil sie ihn mochte, er sie offensichtlich ebenfalls, und wohl auch, weil sie ihm trotz ihrer anfänglichen Befürchtungen, er könne hinter den ganzen Vorfällen steckte, vertraute. Irgendwie. Womöglich zu Unrecht, wer wusste das schon? Aber jetzt, wo er einmal hier war und ehrlich besorgt um sie zu sein schien, wollte sie auf keinen Fall, dass er wieder ging. Sie fühlte sich sicher, wenn er in ihrer Nähe war. Warum auch immer.
Sie nickte. „Dann komm, gehen wir.“
„Kleinen Moment noch. Ich geh nur noch mal kurz ums Haus herum und schaue nach, ob irgendwas Verdächtiges zu sehen ist.“
Das fand Melissa total süß und fürsorglich von ihm, und das Herz schlug ihr höher. Ein paar Minuten später saßen sie dann, vor sich auf dem Tisch zwei dampfende Tassen Kräutertee, in der Küche, und Melissa begann mit ihrem Bericht.
„Angefangen hat eigentlich alles mit einem Anruf. Am Tag meiner Ankunft hier klingelte das Telefon, und am Apparat war so eine seltsam verzerrt klingende Stimme.“
„Verzerrt?“
Sie nickte und nahm ihre Tasse zur Hand. Nachdem sie kurz gepustet hatte, trank sie einen Schluck Tee, der wohltuend ihre Kehle hinunterrann. „Irgendwie
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