Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mystic City 2. Tage des Verrats (German Edition)

Mystic City 2. Tage des Verrats (German Edition)

Titel: Mystic City 2. Tage des Verrats (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theo Lawrence
Vom Netzwerk:
sind so schnell, dass ich die Augen schließen muss, damit ich nicht schreie. Es fühlt sich an, als würden wir durch ein Vakuum gesaugt – von beiden Seiten kommt Druck und dann ertönt ein Knall. Sofort verschwindet der Druck. »Du kannst die Augen wieder aufmachen«, sagt Turk. Ich spüre, wie wir auf normale Geschwindigkeit abbremsen.
    Ich öffne die Augen. Das Motorrad sinkt und landet auf einer Straße in der Tiefe. Alle Trägheit und Benommenheit ist von mir gewichen. Ich bin hellwach.
    Die Tiefe ist genauso, wie ich sie in Erinnerung habe: düster, heiß, schmutzig. Die Straßen von Manhattan sind von einer braunen Brühe überflutet. Zwischen den Fundamenten jahrhundertalter Gebäude haben sich so Kanäle gebildet. Schon vor meiner Geburt hatte es hier nicht anders ausgesehen. Ein muffiger Geruch liegt in der schwülen Luft; es ist, als hielte man die Nase in einen alten Schrank.
    Die Sonne steht hoch am Himmel. Gondolieri warten am Kanalrand in ihren kleinen wendigen Booten auf Passagiere, während Passanten auf erhöhten Gehsteigen an den Wasserwegen entlangeilen.
    Dieser Teil von Manhattan scheint in den Wochen meiner Abwesenheit noch mehr heruntergekommen zu sein. Viele Schaufenster sind eingeschlagen, die Fassaden mit Graffiti überzogen. Das war auch früher schon so. Doch es wohnen weniger Menschen hier. Die bunten Wäschestücke, die sonst vor den Fenstern in der salzigen Brise flatterten, sind verschwunden. Am Kanal hüpfen keine Kinder mehr gefährlich nahe am Wasser herum und essen Brot und Orangen. Auch wenn die Häuser immer schon schmutzig waren, das Pflaster aufgerissen war, wimmelte es hier trotzdem vor Leben. Jetzt ist alles wie ausgestorben. Die winzigen Geschäfte sind fast alle verschwunden, geblieben sind Schutthaufen. Ganze Gebäude sind eingestürzt und in die Kanäle gerutscht, manche Straßen sind von Trümmern blockiert.
    Ein paar Mädchen zischen auf verrosteten Fahrrädern vorbei. Räder sind das einzige Transportmittel, mit dem man in den engen Gassen hier vorwärtskommt – ausgenommen natürlich gepimpte mystische Motorräder.
    »Hast du die Stadt vermisst?«, fragt Turk. Geschickt manövriert er sein Bike über schmale Steinbrücken und durch gewundene Straßen. Ich blicke über die Schulter. Aus den verchromten Auspuffrohren schießen grüne Flammen mystischer Energie.
    »Ja«, antworte ich und das ist die Wahrheit. In der Tiefe habe ich Hunter kennengelernt. Ich fühle mich hier mehr zu Hause als oben in den Horsten bei meinen Eltern. »Wohin fahren wir?«
    »Obwohl wir Gemälde als Schlupflöcher benutzen«, erklärt Turk, »gibt es keine direkten Verbindungen zu den Verstecken der Rebellen.«
    Ein mystisches Schlupfloch! Das erklärt, wie wir von Thomas’ Stützpunkt aus so schnell in die Tiefe gelangt sind. Hunter hat damals auch ein solches Portal benutzt, um mich heimlich in den Horsten zu treffen.
    »U-Bahnhöfe«, fährt Turk fort, »können wir nicht mehr als Unterschlupf benutzen; das ganze Schachtsystem ist geflutet. Unsere neuen Verstecke mit Schlupflöchern zu verbinden, ist zu gefährlich. Falls deine Familie oder die Fosters Zugang bekommen …« Turk lässt den Satz unvollendet. Er donnert einen Steg entlang und überquert einen breiten Kanal, der zwischen zwei Reihen beschädigter Gebäude verläuft. Unwillkürlich werde ich an jene Nacht erinnert, in der Elissa Genevieve auf Turk geschossen und uns verraten hat. Damals hat sie meinen »Schlüssel« benutzt, um in ein unterirdisches Rebellenversteck einzudringen.
    Turk zuckt zusammen. Offensichtlich hat er an dasselbe gedacht. »Also müssen wir einen anderen Weg nehmen.«
    Bald sehe ich die Gebäudesilhouetten eines der älteren Straßenzüge von Manhattan aus dem Wasser aufragen. »Halt dich fest«, flüstert Turk, und wir sausen durch Luft, um sicher auf der Fahrbahn zu landen. Vereinzelte Passanten drehen sich nach uns um, aber da sind wir schon vorbei und um die nächste Ecke in einer schattigen Gasse verschwunden.
    Turk umfährt im Slalom überfüllte Müllcontainer und tiefe Schlaglöcher. Dann bremst er und hält an. »Wo sind wir?«, frage ich.
    Er schiebt mit dem Fuß den Ständer nach unten, schwingt sich aus dem Sattel und reicht mir die Hand. »Ich will nur schnell einer alten Freundin Guten Tag sagen.«
    In der schattigen Gasse ist es etwas angenehmer als auf der bereits jetzt kochend heißen Straße. Obwohl das rote Kleid rückenfrei ist, ist es durchgeschwitzt. Die Riemchen meiner

Weitere Kostenlose Bücher