Mystic City 2. Tage des Verrats (German Edition)
zum …«
Turk wendet sein Bike. Das verchromte Hinterteil donnert Thomas ins hübsche Bubigesicht und wirft ihn zu Boden. Schlaff bleibt mein Peiniger liegen, wahrscheinlich ist er bewusstlos. Die Wachen scheinen außer Hörweite, denn aus den Räumen nebenan kommt niemand herbei, um Thomas zu helfen.
Turk springt vom Bike und betrachtet mich stirnrunzelnd. Dann fällt sein Blick auf die beiden Mystikerinnen, die vor Angst erstarrt sind. Er zieht eine lange schwarze Pistole und hält sie in die Luft. Sie ist so breit wie mein kleiner Finger und fast doppelt so lang wie eine normale Waffe – außerdem hat sie keinen Hahn, nur Lauf, Griff und Abzug. Wo steckt da die Kugel?
»Ihr beiden steht auf der falschen Seite.« Er zielt zwischen die beiden Mystikerinnen. Die eine lässt die Spritze fallen, die sie in der Hand hält, und zittert vor Angst.
Turk drückt ab. Anstelle von Kugeln strömen grüne Strahlen mystischer Energie aus dem Lauf und bewegen sich in Spiralen genau auf die Brustmitte der beiden zu. Ein lauter Knall ertönt und ihre Haut verfärbt sich gelblich. Die Mystikerinnen verdrehen die Augen und sinken bewusstlos neben Thomas zu Boden.
»Gut«, sagt Turk. »Ich hasse Verräter.« Er nimmt mir den seltsamen Helm ab. »Alles okay?«
Ich nicke. Er löst die Riemen von meinen Handgelenken und von meinen Beinen. Ich seufze erleichtert, lockere Finger und Zehen und atme tief ein. Nach den Injektionen hat sich eine bleierne Trägheit in meinem Körper ausgebreitet, aber sonst fühle ich mich gut.
»Habe mir gedacht, dass ich dich hier finde«, sagt Turk.
Ich könnte vor Freude heulen. »Wie hast du mich aufgespürt?«, frage ich.
Er deutet auf eines der Gemälde. »Wir geben uns viel Mühe, unsere mystischen Bilder an reiche Horstbewohner zu verkaufen. So sind die Leute leichter auszuspionieren. Und außerdem«, fügt er hinzu, »kann man so durch das eine oder andere mystische Schlupfloch eindringen.«
Ich kann mich nicht halten vor Lachen. Thomas hatte Recht, als er sagte, die Mystiker wären begabte Künstler – er wusste nur nicht, wie Recht.
»Komm«, sagt Turk und hilft mir aus dem Stuhl. Bei seiner Berührung durchfährt mich ein Stromstoß – seine mystische Energie hat die Macht, mich zu töten. Ein Blick in sein Gesicht jedoch verrät mir, wie stark er sich kontrolliert, um mir nicht wehzutun.
»Hunter hat mir gesagt, man müsse sich erst mal daran gewöhnen, Menschen zu berühren«, sagt er. »Das stimmt.«
Hunter . Als ich seinen Namen höre, bin ich froh, dass meine Erinnerung nicht zum zweiten Mal ausgelöscht wurde. Und unglaublich wütend, weil er mich belogen hat. Ich muss ihn so schnell wie möglich zur Rede stellen.
»Ich habe dich vermisst«, flüstert Turk. Er packt den Lenker seines Bikes und schwingt ein Bein über den Sattel. Auf Knopfdruck schiebt sich eine lange Metallstange aus der Seite des Motorrads. Turk packt sie, und seine Fingerspitzen leuchten, als er das Metall wie Spachtelmasse bearbeitet, bis … ein Helm daraus entsteht.
»Sicherheit hat Vorrang«, sagt er und wirft mir den Helm zu. Ich setze ihn auf und steige vor ihm auf den Sattel. Dabei ziehe ich meinen Fetzen von Kleid so zurecht, dass er so viel Haut wie möglich bedeckt, und drücke meine Füße in den Glitzersandalen fest gegen die Seiten des Motorrads. Es ist so eng, dass ich fast auf Turks Schoß sitze. Ich kann mich noch gut an unsere erste gemeinsame Fahrt erinnern. Damals hat er mich vom Java River nach Hause gebracht, nachdem mir Hunter das Leben gerettet hatte. Ich hatte Angst vor Turk wie vor allen Mystikern. Weil man mir das Gedächtnis gestohlen hatte, konnte ich mich nicht an meine Erlebnisse mit Hunter erinnern. Seit damals hat sich so vieles verändert.
Nur Turk nicht. In jener Nacht am Java River hat mir Hunter gesagt, ich solle in den Horsten bleiben, denn dort gehörte ich hin. Ich habe das damals als Zurückweisung verstanden. Ich wusste ja nicht, dass Hunter mich nur in Sicherheit wissen wollte. Aber Turk war von Anfang an nett zu mir. Er hat zu uns beiden gehalten, zu Hunter und mir, als uns niemand helfen wollte. Turk ist der einzige Mann in meinem Leben, der mich nicht benutzen will. Er will nur helfen. Und im Moment ist das ein echter Trost.
»Und jetzt sollten wir schleunigst von hier verschwinden«, sagt er und umfasst den Lenker. Dann startet er den Motor, und wir donnern in das Gemälde hinein, aus dem er gekommen ist.
5
Als Erstes fällt mir der Gestank auf. Wir
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