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Mystic City 2. Tage des Verrats (German Edition)

Mystic City 2. Tage des Verrats (German Edition)

Titel: Mystic City 2. Tage des Verrats (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theo Lawrence
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abgehängt.
    Ich schaue mich um. Die Wohnhäuser in dieser Straße sind heruntergekommen oder kaputt. Hier eine zerfetzte blau-weiße Markise, dort eine aufgebrochene Tür. An den Hauswänden hängen immer noch die Wahlplakate von Violet Brooks. Wählt den Wandel , steht darauf. Sie sind längst ausgebleicht und einige wurden übersprüht, aber Violets strahlendes Lächeln ist immer noch gut zu erkennen. Ihr Anblick macht mich traurig.
    Dann erkenne ich die Straße wieder. Das ist die Columbus Avenue. Hier wohnt Lyrica.
    Als ich zum letzten Mal hier war, habe ich eine halbe Ewigkeit nach ihrem Haus gesucht und irgendwann gedacht, ihre Hausnummer – die 481 – würde gar nicht existieren. Dabei hatte sie ihr Haus durch mystische Magie unsichtbar gemacht, genau wie Turk den Unterschlupf der Rebellen.
    Ob sie weiß, dass ich hier bin? Spürt sie, dass ich ihre Hilfe brauche? Warum hat mich das Schlupfloch gerade hierhergeführt? Wo kam es überhaupt her und warum ist es genau in dem Moment aufgetaucht, als ich es am dringendsten brauchte?
    Ich erkenne den Eingang von Lyricas Nachbarhaus wieder, allerdings ist er unter einem Haufen Ziegelsteine verschüttet. Ich schaue an der Fassade hoch und sehe, dass das Haus zur Hälfte eingestürzt ist. Ich habe freien Blick auf sein Innenleben: ein Gewirr aus Wasserrohren und Holzbalken. Plötzlich höre ich Schreie ganz in der Nähe. Das müssen mein Bruder und seine Männer sein.
    Davidas Kästchen noch immer in der Hand, fahre ich wie bei meinem ersten Besuch mit den Fingerspitzen über die raue Ziegelmauer. Damals tauchte Lyricas Haus wie aus dem Nichts auf.
    Ich warte.
    Und warte.
    Nichts passiert.
    »Lyrica, ich bin’s, Aria!«, rufe ich in der Hoffnung, dass sie mich hört. »Ich brauche deine Hilfe!« Verzweifelt hämmere ich mit der Faust gegen die Mauer und schramme mir die Hand auf. Aber was sind schon ein paar Kratzer?
    Da löst sich plötzlich einer der Ziegel aus dem Mauerwerk und fällt krachend auf die Straße. Ich will ihn gerade aufheben, als mir der gelbe Zettel in dem Loch auffällt, das der Stein in der Mauer hinterlassen hat. Ich ziehe ihn heraus und falte ihn auf.
    Dies ist dein Schlüssel. 520 Columbus Avenue. Briefkasten.
    Ich renne bis zum Ende der Straße, vorbei an Wohnhäusern, die eigentlich nur noch Ruinen sind. Nur ein einziges Haus sieht so aus, als würde es nicht jeden Moment einstürzen. Davor bleibe ich stehen. Das dreigeschossige Gebäude wurde offenbar von einer Abrissbirne getroffen – die rechte Außenmauer ist stark beschädigt, die Fensterscheiben sind zertrümmert, die braune Fassade rissig. Neben dem Eingang entdecke ich die verblasste Hausnummer: 520. Wo ist der Briefkastenschlitz?
    Ich überquere die kaputte Straße und steige die bröckelnden grauen Steinstufen zu Nummer 520 hinauf. Hinter mir höre ich Schreie. Haben Kyles Männer mich entdeckt?
    Die Eingangstür ist mit einer dicken Staubschicht überzogen und hängt schief in den Angeln. Der Briefkastenschlitz gähnt mich an wie ein hungriges Maul. Davon abgesehen sieht er aus wie ein ganz normaler Briefkastenschlitz. Das klappt nie im Leben! Ich schiebe den gelben Zettel hinein und warte. Sekunden verstreichen, nichts passiert.
    »Hallo?«
    Ich recke den Hals, um einen Blick ins Haus zu werfen. »Lyrica?«
    Was mache ich hier eigentlich?, denke ich. Das ist doch totaler Schwachsinn! In diesem Moment höre ich Kyles Männer brüllen. Sie sind ganz in der Nähe. »Sucht sie!« – »Sie kann nicht weit sein!«
    Ich muss hier weg. Ich habe sowieso schon viel zu viel Zeit mit diesem blöden Briefkasten vergeudet. Ich laufe zurück auf die Straße, um mich nach einem Versteck umzusehen. Kaum haben meine Füße das Pflaster berührt, beginnt der Boden zu beben. Genauso fühlte es sich an, wenn in den Horsten ein Gebäude gesprengt wurde und in sich zusammenstürzte. Nur ist es diesmal genau umgekehrt: Hier wird nichts zerstört. Hier entsteht etwas.
    Die Welt verschwimmt vor meinen Augen. Unsichtbare Hände scheinen Haus Nummer 520 und das Gebäude daneben auseinanderzuschieben. Nur ein leises Rauschen und Ächzen ist zu hören, als Lyricas Haus in der entstandenen Lücke auftaucht. Die mit orangefarbenem Stuck verzierte Fassade ist unverkennbar und in den Fenstern brennen rote Kerzen wie bei meinem letzten Besuch.
    Hinter mir höre ich die schweren Schritte der Soldaten. Sie trampeln heran wie eine Elefantenherde.
    Lyrica erscheint in der Tür und ist völlig außer Atem.

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