Mystic City 2. Tage des Verrats (German Edition)
ist. Es hat wohl etwas mit ihrer mystischen Religion zu tun. Dad wollte es verbrennen, aber ich habe es gerettet. Ich weiß, wie gern du Davida hattest.« Er seufzt. »Komm nach Hause, Aria. Ich bitte dich zum letzten Mal.«
Ich betrachte die Figuren genauer. Sieben in einem Kreis habe ich bis jetzt noch nicht gesehen. Und ich habe nach wie vor keine Ahnung, was sie bedeuten. Ich kann es kaum erwarten, Hunter zu fragen.
»Nein, ich werde nicht mitkommen«, antworte ich. Kyles Miene ist undurchdringlich. Ist er wütend? Frustriert? Erleichtert? »Trotzdem vielen Dank.«
»Wofür?«
»Dafür.« Ich halte das Kästchen hoch. »Außerdem bin ich froh, dass du mir keine Falle gestellt hast.«
»Oh, da hast du dich leider ein bisschen zu früh gefreut«, sagt Kyle. Er pfeift durch die Finger.
»Was?«
In diesem Moment bricht die Hölle los. Hinter Kyle erhebt sich ein Mann aus dem schlammigen Untergrund. Er muss sich dort die ganze Zeit versteckt haben. Der Kerl ist riesengroß und springt so schnell vor, dass der Matsch nach allen Seiten spritzt, auch auf Kyles ach so kostbaren Anzug.
»Pass doch auf!«, schimpft Kyle und wischt sich übers Revers.
Ein ganzer Trupp Soldaten kommt aus der Deckung. Sie sind von oben bis unten mit Schlamm beschmiert, aber ich erkenne deutlich ihre Waffen.
Ich drehe mich blitzschnell um und will zur Gondel zurückrennen, aber die Männer haben mich längst umzingelt. Ich sitze in der Falle. Die Schlammmonster machen grunzende Geräusche.
»Ergib dich«, sagt Kyle. »Damit tust du uns allen einen Gefallen.«
Ich starre auf die Wand aus Uniformierten. Nirgendwo ein Ausweg.
Plötzlich ruft eine vertraute Stimme vom Belvedere Castle zu mir herüber: »Aria!« Turk. Er späht durch eines der kaputten Fenster.
Kyle sieht ihn sofort.
»Da rein!«, schreit Turk und deutet auf das Wasser.
Ich zögere keine Sekunde, werfe mich nach vorne und schlüpfe zwischen den gegrätschten Beinen eines Soldaten hindurch.
»Ergreift sie!«, brüllt Kyle. »Und bringt mir diesen Mystiker!«
Meine Kleider haben sich mit Schlamm vollgesogen und wiegen schwer wie Blei, aber ich habe nur einen Gedanken: das Boot. In einiger Entfernung entdecke ich den Gondoliere, der hektisch versucht, es zu wenden. Er hat sicher alles beobachtet und will fliehen. Das kann ich ihm kaum verübeln.
»Warten Sie!«, rufe ich, aber da ist er schon auf und davon.
Also gut, denke ich. Dann eben schwimmen.
Ich hole tief Luft und springe in das trübe Wasser des Kanals. Davidas Kästchen halte ich mit einer Hand fest, deshalb bin ich nicht so schnell. Ich lasse mich auf den Grund sinken.
Da ich in der trüben Brühe sowieso nichts erkennen kann, schließe ich die Augen. Ich höre nur das Wasser. Wo meine Verfolger sind, kann ich nicht mal erahnen.
Mit angehaltenem Atem schwimme ich los. Dann wage ich es doch noch einmal, die Augen zu öffnen, und da sehe ich ihn: einen hellgrünen Kreis aus pulsierendem Licht, der mich zu sich ruft. Ein mystisches Schlupfloch. Energie lodert mir entgegen. Ich komme!, rufe ich in Gedanken. Ich komme!
Meine Augen brennen. Ich schließe sie wieder und recke mich dem Schlupfloch entgegen. Eine Hand packt meinen Knöchel, doch mit einem Tritt habe ich mich befreit. Aber nur für eine Sekunde. Jemand greift nach meinen Füßen. Ich bewege mich weiter auf den grünen Kreis zu. Als sich das Schlupfloch hinter mir schließt, spüre ich einen Luftschwall und … falle auf einen gepflasterten Bürgersteig. Ich schnappe nach Luft.
Einen Augenblick liege ich einfach nur da – völlig erschöpft. Dann rappele ich mich hoch. Ich bin nicht einmal nass. Nur ein paar getrocknete Schlammstreifen ziehen sich über mein rechtes Hosenbein. Meine Kappe habe ich verloren, aber Davidas Kästchen habe ich noch in der Hand.
Und dann höre ich die Schritte. Ich drehe mich um und sehe, wie sich die Männer meines Bruders am Eingang zum Prächtigen Block formieren, um nach mir zu suchen.
Ich laufe in die entgegengesetzte Richtung, einen schmalen Steg entlang, über eine klapprige Brücke, auf eine Straße zu, die hoffentlich belebter ist. Vielleicht kann mir dort jemand helfen.
»Da drüben!«, höre ich die Männer brüllen. Mir läuft es eiskalt den Rücken hinunter. Sie haben mich entdeckt.
13
Ich renne und renne, bis ich keine Luft mehr kriege. Nach Atem ringend bleibe ich stehen und lausche, ob Kyles Männer mir noch immer auf den Fersen sind, aber ich höre nichts. Anscheinend habe ich meine Verfolger
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