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Mystic City 2. Tage des Verrats (German Edition)

Mystic City 2. Tage des Verrats (German Edition)

Titel: Mystic City 2. Tage des Verrats (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theo Lawrence
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durch die heißen Straßen von SoHo nach Westen.
    Neben mir wühlen vorbeifahrende Gondeln das Wasser auf. Die Wohnhäuser vor mir sehen aus, als wären sie schwarz gestrichen, dabei sind die Fassaden nur so schmutzig. Einige der Fenster haben Fensterläden, was hübsch aussehen würde, wäre die Farbe nicht abgeblättert und das Holz morsch.
    Neben den Häusern gibt es verschiedene mystische Gebäude in der Gegend. Einige wurden vollständig von Mystikern errichtet, andere haben lediglich Aufbauten aus Damaszenerstahl auf den Dächern. Bei letzteren haben zwar die Stahlkonstruktionen die Bombardierungen überstanden, nicht jedoch die unteren Stockwerke. So ruhen die imposanten Horste auf Pfählen, die nicht so aussehen, als könnten sie das Gewicht noch lange tragen.
    Ich lege den Kopf in den Nacken und schaue zum Himmel. Ich erkenne schwach die Umrisse von Brücken, die die Horste miteinander verbinden. In der Sonne glitzern sie wie Spinnweben. Ich frage mich, ob dort oben jemand weiß, wie fragil diese Bauwerke sind. Es wäre den Rebellen ein Leichtes, die Fundamente zu zerstören und so Tausende Gebäude zum Einsturz zu bringen.
    Aber wie viele Bewohner der Horste haben je einen Fuß in die Tiefe gesetzt? Dort oben haben einstürzende Gebäude Unterhaltungswert – bei den Einsturzpartys. Niemand denkt an die Zerstörung, die sie in der Tiefe anrichten, an den Schmutz und den Schutt und die herabstürzenden Metallteile.
    Die Zerstörungen der letzten Monate hatten jedoch ein anderes Kaliber. Hat der Krieg die Menschen in den Horsten vielleicht doch erreicht? Hat das hohe Ansehen meiner Familie und der Fosters vielleicht doch Schaden gelitten? Und falls ja, wie kann ich dabei helfen, dass man den Mystikern und den Menschen der Tiefe gleiche Rechte gewährt? Würden Leute wie Kiki und Bennie je einsehen, dass das nur gerecht wäre?
    Auf dem Weg am Kanal entlang sehe ich neben einem baufälligen Anleger ein halbes Dutzend Holzpfosten aus dem Wasser ragen. An den Pfosten drängen sich die Gondeln und warten auf Passagiere. Die Gondolieri stehen wankend in ihren Booten, rauchen dünne Zigaretten und unterhalten sich. Ein paar der jüngeren, Jungs in meinem Alter, liegen auf dem Anleger und lassen die Füße ins Wasser hängen, um sich ein wenig Abkühlung zu verschaffen.
    An sie will ich mich als Erstes wenden, da es am wahrscheinlichsten ist, dass sie überhaupt mit mir reden.
    »Hallo?«, rufe ich, betrete den Anleger und erschrecke, als ein Brett unter meinen Füßen knackt.
    Einer der Jungen lacht. »Eine Fahrt gefällig, Miss? Wo soll es denn hingehen?«
    Ich zupfe meine blonde Perücke zurecht. Zum Glück hat mich noch niemand erkannt.
    »Ich fahr dich«, sagt einer der Burschen bestimmt. Er scheint der Anführer des Rudels zu sein. »So schnell wie ich bringt dich keiner über den Kanal.«
    »Glaub ihm kein Wort«, sagt ein anderer Gondoliere. Er sieht süß aus, wenn auch ein wenig verwegen. Auf seinen Wangen klebt der Dreck der Tiefe, sein blondes Haar ist schweißnass. »Ich bin schneller.« Er zeigt auf eine heruntergekommene schwarze Gondel, deren Spitze sich aus dem trüben Wasser reckt. »Na, wie wäre es mit uns beiden?«
    »Danke, kein Bedarf.« Die Jungen lachen. »Ich meine, ich brauche keine Gondel. Ich brauche eine Auskunft.«
    »Was willst’n wissen?«, fragt ein kleiner Junge. Er hockt im Schneidersitz auf dem Anleger. Unter seiner Baseballkappe blitzen große, wache Augen.
    »Ich … ähm«, beginne ich, unsicher, wie ich meine Frage formulieren soll. »Ich muss alles über die Gezeiten wissen, und die Strömungen.«
    Ich sehe sofort, dass der Kleine keine Ahnung hat, wovon ich rede.
    »Über Navigation«, füge ich sinnloserweise hinzu.
    Die Jungen werfen sich amüsierte Blicke zu. Dann tritt der verwegene Blondschopf vor und schiebt die Hände lässig in die Hosentaschen. »Heißt also, du willst gar nich Gondel fahren?«
    »Genau.«
    Ein paar aus dem Rudel fluchen leise vor sich hin, dann starren sie wieder teilnahmslos aufs Wasser.
    »Nix für ungut, Miss«, sagt der Blonde. »Aber wir brauchen dringend mal wieder was zu beißen. Und dafür brauchen wir Kohle.«
    Ich habe ein paar Münzen in der Tasche, doch die reichen nicht für alle – und möglicherweise muss ich ja auch noch einen Seemann bezahlen, der mir helfen kann, Davidas Herz zu finden.
    »Verstehe.« Ich deute auf die älteren Gondolieri. »Kann mir vielleicht einer von denen helfen?«
    Der Blonde reibt sich die Stirn.

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