Mystic City 2. Tage des Verrats (German Edition)
an. An der Seite steht eine unbequeme Pritsche mit einem platten Kissen. Überall stapelt sich säckeweise Kleidung. So viel zum Thema Handarbeit! Der Raum hat keine richtigen Wände, sondern ist nur mit schmutzigen Stoffbahnen abgehängt. Auch die Decke besteht aus dunkelblauem Stoff.
Der Mann kratzt sich den Bart, bückt sich und greift unter die Pritsche. Dabei rutscht sein Hemd nach oben und entblößt die fleckige Haut auf seinem Rücken. Der speckige Bauch quillt über den Hosenbund. Der Kerl scheint keine Unterhose zu tragen. Heftig.
Er fischt eine kleine Kühlbox heraus und kommt zu uns herüber. »Wir haben es bereits abgeerntet«, erklärt er Turk. »Das hat zwei von uns das Leben gekostet, also ist es nicht billig.« Er blinzelt. »Trotzdem ist es gefährlich, wenn ihr nicht wisst, wie ihr damit umgehen müsst. Und ich bin auch nicht scharf drauf, dass irgendjemand rausfindet, woher ihr es habt.«
»Verstehe«, sagt Turk und strafft die Schultern. »Ich habe genug Erfahrung damit. Es kommt in gute Hände.«
Der Mann nickt und drückt auf die Kühlbox. Der Deckel schwingt auf und silbriges Licht erhellt den Raum.
»Es ist absolut vollkommen«, sagt der Mann. »In allerbestem Zustand.«
Turk greift in die Kühlbox und holt einen kleinen Glasbehälter heraus. Ich sehe nicht, was sich darin befindet – das Glas ist mit Quecksilber behandelt wie die Glasröhren im Abschöpfraum meines Vaters.
Der Bärtige nimmt Turk den Behälter aus der Hand, stellt ihn zurück in die Kühlbox und schließt den Deckel. Das Silberlicht erlischt.
»Wo ist das Geld?«, fragt er.
Turk sieht mich an.
»Ich … ich muss es Ihnen überweisen«, erfinde ich geistesgegenwärtig eine Erklärung. »So viel habe ich nicht bei mir.« Ich hole meinen TouchMe heraus und spiele auf Zeit. Ehe ich den Mann fragen kann, wie viel er verlangt, höre ich von oben ein Reißen und plötzlich stehen wir im gleißenden Sonnenlicht.
»Aria!«, ruft Turk.
»Was soll das?«, schreit der Mann. »Ihr habt mich reingelegt! Hilfe!«
Zwei Männer stürzen auf uns zu. Auf ihren schwarzen Uniformen prangt das rote Abzeichen der Familie Rose.
Sie richten ihre Waffen auf mich.
»Wenn ihr Mätzchen macht, erschießen wir sie«, sagt einer zu Turk, der kampfbereit die Hände ballt.
»Vorsicht«, sagt Turk zu Jarek. »Stell dich vor Aria.«
Jarek tritt vor mich, und einer der Soldaten zielt mit der Waffe auf seinen Kopf. »Keine Bewegung! Überlasst uns das Mädchen, dann passiert niemandem etwas.«
»Nur über meine Leiche«, entgegnet Turk und spuckt auf den Boden.
Über uns dröhnen die Rotorblätter eines grauen Helikopters, eine Tür geht auf. Zwei weitere Männer lassen sich an einem Seil herab. Der alte Mann hat sich jammernd in der Ecke verkrochen. Von der Frau fehlt jede Spur. Ich frage mich, ob sie entkommen konnte.
Turk hebt die Hand. Ein grüner Lichtstrahl löst sich und trifft einen der Männer in die Brust. Der Kerl geht zu Boden und krümmt sich vor Schmerz, ist aber nicht tot.
»Das war aber gar nicht nett«, sagt der Soldat neben ihm. Dann schießt er auf Turk und Jarek, die den Kugeln ausweichen.
Ich fahre herum, als ein weiterer Soldat hereinstürmt und mir den Knauf seiner Waffe über den Kopf zieht. Das Dröhnen des Helikopters wird lauter. Kreise aus Licht tanzen vor meinen Augen. Während ich ohnmächtig werde, denke ich nur: das Herz, das Herz, das Herz!
19
Ich wache in einem kleinen, sterilen Raum auf.
Ich trage Handschellen und ein dünnes Seil spannt sich über meine Brust. Ich bin an einen Stuhl gefesselt.
An der Wand gegenüber ist Turk mit Riemen an einen Metallstuhl festgebunden. Sein Gesicht sieht übel zugerichtet aus, man muss ihn fürchterlich verprügelt haben. Auf der Stirn klafft eine Wunde und ein fieser Schnitt zieht sich quer über seine Wange bis zu den Lippen. Sein Gesicht ist voller Blut.
Die kühle, sterile Luft und der TouchMe, der in die Wand eingelassen ist, verraten mir, dass ich mich in den Horsten befinde.
Vor mir steht Kyle.
»Tja«, sagt er, »so sieht man sich wieder, Schwesterchen.«
Er trägt einen schwarzen Anzug und ein gebügeltes, blaues Hemd, das am Kragen offen steht. Keine Krawatte. Das flachsblonde Haar ist ordentlich gescheitelt. »Red nicht wie der Bösewicht aus einem Comic, das ist lächerlich«, sage ich.
»Lächerlich, ja?«, gibt er zurück und zeigt auf meine Perücke. »Ich glaube, du bist diejenige, die sich hier lächerlich macht.«
Ich sehe Turk an. Keine
Weitere Kostenlose Bücher