Mystic City 2. Tage des Verrats (German Edition)
angemalt. Die schwarz und weiß bemalten Gesichter haben ernste Mienen.
»Jarek?«, rufe ich noch mal.
»Gefallen sie dir?«, fragt die Frau am Stand. »Ich mache dir einen guten Preis.«
»Nein, danke.« Ich wende mich wieder dem Regal mit Puppen zu. »Ich suche nur einen Freund.«
Als ich mir die Puppen anschaue, zwinkert mir plötzlich eine zu.
Nein, es sind zwei Augen, die mich anblinzeln!
Da tritt eine Gestalt auf mich zu. Jarek! Seine Kleidung und seine Haut haben die Farben des Hintergrunds angenommen. Er ist vor dem Regal voller bunter Puppen kaum zu erkennen.
»Wow! Du bist ja ein Meister der Tarnung!«
Jarek nimmt wieder seine ursprüngliche Gestalt an. »Wenn du nicht weißt, dass ich da bin, klappt es ziemlich gut.« Er lacht. »Eine ziemlich unnütze Gabe, wenn du mich fragst.«
»Das weiß man nie«, ermutige ich ihn. »Vielleicht wird eines Tages genau diese Gabe dringend gebraucht.«
Er seufzt. »Vielleicht. Lieber hätte ich Kräfte wie Ryah. Oder wie Landon. Ich habe so hart trainiert. Ganze Tage und Nächte habe ich mystische Kampfkunst geübt, aber es funktioniert einfach nicht. Meine Energiestrahlen sind zu schwach.« Jarek lässt betrübt die Mundwinkel hängen. Es muss schrecklich sein, zu den Mystikern zu gehören, einer Gruppe, die für ihre unheimlichen Kräfte berühmt ist, und selbst nicht über eine herausragende Superkraft zu verfügen. Vor allem, wenn man äußerlich so ein Kraftpaket ist wie Jarek. Aber wie ich selbst am besten weiß, kann der Schein trügen.
»Das tut mir leid«, sage ich. »Aber es gibt nicht nur mystische Kräfte im Leben.«
»Wenn ich über Kräfte verfügen würde«, sagt er, »über richtige Kräfte, hätte ich meine Eltern retten können, als ihr Versteck überfallen wurde. Stattdessen wurden sie getötet.« Er reibt sich die Stirn. »Und ich lebe noch.«
Ich hatte nicht die geringste Ahnung, dass Jareks Eltern auf so tragische Weise ums Leben gekommen sind. Dass er dabei Zeuge war. »Es ist nicht deine Schuld.« Ich lege ihm die Hand auf die Schulter. »Tut mir leid, dass du so etwas durchmachen musstest. Aber ob mit oder ohne Kräfte – du bist ein guter Kerl, Jarek. Deine Eltern wären stolz auf dich.«
Er schüttelt den Kopf. »Nein, ich bin kein guter Kerl. Überhaupt nicht.« Plötzlich hellt sich seine Miene auf und er grinst mich an. »Ist ja auch egal. Gehen wir weiter.«
Turk bekommt eine Absage nach der anderen, niemand will ihm ein Herz verkaufen. Wie Jarek schon meinte, probiert es Turk vor allem bei den eher weniger gut besuchten Buden: einem Stand mit Socken und Schuhen, einem mit billiger Elektronik und einem Imbiss. Inzwischen suchen wir schon fast eine Stunde, und noch haben wir keine Spur.
»Vielleicht ist es nicht hier«, sage ich zweifelnd.
»Doch, es ist bestimmt hier«, entgegnet Turk. »Wir müssen zuerst jemanden finden, der Stic verkauft. Dann finden wir auch das Herz.«
Jarek und ich kaufen uns ein Sandwich, das wir uns teilen, und eine Flasche Wasser. Schließlich finden wir einen Metzger, der Fleisch räuchert. Die Frau am Stand daneben verkauft Klamotten. Hinter sich hat sie bunte Kleider und Hemden aufgehängt. Sie sind mit Stickereien und Perlen verziert, alles Handarbeit, wie uns die Frau versichert. Die Sachen sehen ein wenig altmodisch aus, trotzdem finde ich sie wunderschön.
Während ich die Kleider betrachte, kommt ein dicklicher Mann mit zotteligem, grau meliertem Vollbart an den Stand. Im Watschelgang geht er zu der Frau und flüstert ihr etwas ins Ohr.
»Turk«, sage ich und winke ihn herüber.
»Ja?«
»Das Sandwich ist gut«, sagt Jarek zwischen zwei Bissen. »Echt gut.«
Turk zieht die Augenbrauen hoch. »Wolltest du mir das mitteilen?«
»Nein.« Ich zeige auf die Bude und den Mann. »Warum fragst du den nicht mal?«
Turk nickt. »Okay.« Er geht los. »Entschuldigen Sie?«
Der Mann sieht uns fragend an. Er hat eine platte Nase und wulstige Lippen. »Ja, bitte?«
Turk räuspert sich. »Ich suche nach etwas ganz Außergewöhnlichem.«
Der Mann sieht erst zu mir, dann zu Jarek und wieder zu Turk. »Und was sollte das sein?«
»Ein Herz.«
Die Augen des Mannes funkeln. »So etwas wäre sicherlich sehr teuer.«
»Ja.« Turk nickt Jarek und mir zu. »Wir haben sehr viel Geld.«
»Bin gleich wieder da«, sagt der Mann zu der Frau. Er winkt uns, ihm zu folgen. Durch eine Wand aus Schals hindurch gelangen wir in den hinteren Teil des Standes.
Hier ist es dunkel und der Mann macht eine Lampe
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