Mystic City Bd 1 - Das gefangene Herz
der East Side. Die Wände sind weiß, der Boden ist schwarz. Eine graue Metalllampe steht auf dem Nachttisch.
Devlin lässt mich allein. Ich warte kurz und fange dann an herumzuschnüffeln. Ich drücke auf das Touchpad neben dem Schrank und sehe Thomas’ Kleider durch – Hosen, Hemden, Anzüge, Krawatten, nichts Ausgefallenes. Eher was für Männer im Alter meines Vaters als für einen Achtzehnjährigen, der gerade die Privatschule abgeschlossen hat.
Dann untersuche ich in den Inhalt der Badezimmerschränke. Nichts Auffälliges, außer einer Flasche mit mystischen Kopfschmerztabletten. So eine hat Kiki auch immer dabei. Ich verlasse das Badezimmer und inspiziere den Nachttisch: ein AmuseMe mit Kopfhörer und ein Glas Wasser. Thomas ist ordentlich. Sauber. Wahrscheinlich hat er nichts zu verbergen.
Ich bin nicht sicher, wonach ich eigentlich suche – mein eigenes Zimmer ist offenbar gesäubert worden, aber bei Thomas muss es doch wenigstens einen Hinweis auf unsere Liebesbeziehung geben. Irgendein Andenken hat er sicher aufbewahrt.
Da höre ich, wie sich gedämpfte Stimmen nähern: Devlin und Thomas. Ich drehe mich zur Tür und versuche einen möglichst harmlosen Eindruck zu machen.
Thomas kommt herein und drückt auf einen Wandschalter. Die Tür schließt sich und sperrt Devlin aus. Thomas zieht wortlos einen karierten Flanellhausmantel aus dem Schrank, streift ihn über und bindet ihn an der Taille zu. Er ist unrasiert. Seine Züge wirken dadurch härter als gestern Nacht auf der Party. Natür-licher. Gefährlicher.
Ich bin auf weitere Vorwürfe gefasst. Doch Thomas seufzt nur und lässt sich aufs Bett sinken. Er klopft neben sich. »Hi«, sagt er sanft.
»Hi«, erwidere ich und setze mich zu ihm.
»Tut mir leid wegen eben. Du hast mich einfach kalt erwischt.«
»Trotzdem: So kannst du mich nicht behandeln. Ich hab überhaupt nichts gemacht.«
Er schnaubt. »Ach ja? Du hast mal Stic genommen und ich wusste nichts davon.«
»Tut mir leid. Ehrlich. Ich kann mich nicht erinnern, warum ich das getan habe, aber es muss einen Grund gegeben haben. Das sieht mir doch überhaupt nicht ähnlich. Das weißt du doch auch … oder?«
Er rutscht zu mir heran. »Vielleicht hast du dich über irgendwas aufgeregt. Mir tut es nur leid, dass du geglaubt hast, du könntest dich mir nicht anvertrauen. Du musst mich an deinem Leben teilhaben lassen. Wir werden heiraten. Wir dürfen keine Geheimnisse voreinander haben.« Er zieht mich zu sich heran. Seine Berührung fühlt sich unbeholfen an.
»Bist du mit Thea Monasty befreundet?«
Ich spüre, wie Thomas erstarrt. »Warum?«
»Ich habe sie heute zufällig getroffen«, erzähle ich, »bei einer Einsturzparty. Sie hat dich erwähnt und … na ja … sie hat gesagt, du hättest über mich mit ihr gesprochen. Da habe ich mich gefragt, worüber. Hast du ihr von der Überdosis erzählt?«
Thomas wirkt beleidigt. »Das würde ich niemals tun. Meine Eltern und ich haben abgemacht, deinen Zusammenbruch geheim zu halten, weil es für alle das Beste ist.«
»Hast du ihr sonst etwas erzählt?«
»Nein«, sagt Thomas. »Ich kenne sie kaum.«
Ich denke an Theas Andeutungen. Warum sollte sie lügen? Dann sehe ich Thomas an. Warum sollte er lügen?
»Warst du an meiner Handtasche? An der, die ich gestern da-beihatte?«
Thomas macht große Augen und legt seine Hand fest auf meine Schulter. »Aria, geht es dir wirklich gut?«
»Ich glaube schon.« Ich weiß, dass er jetzt auf der Hut ist und an meiner geistigen Gesundheit zweifelt. Also muss ich mir eine andere Taktik überlegen.
Ich berühre seine Brust an der Stelle über seinem Herzen und spüre ein gleichmäßiges Pochen. Er atmet kurz und flach. Seine Augen sind weit geöffnet.
»Fass mich an«, sage ich plötzlich.
Er hüstelt. »Was?«
»Berühr mein Herz.«
Langsam bewegt er seine Rechte, so als müsste er durch eine klebrige Masse greifen, und spreizt die Finger. Dann berührt er mich ganz leicht unter dem Schlüsselbein.
»Tiefer«, verlange ich, lockere mein Shirt und schiebe seine Hand darunter. Seine Finger streichen über meine Brust. Wir zittern beide und ich bin ganz sicher: Das haben wir noch nie gemacht.
»Dort«, sage ich. »Kannst du meinen Herzschlag spüren?«
Er schluckt und starrt mich an. »Ja.«
»Erzähl mir eine Geschichte«, sage ich und schließe wieder die Augen.
»Was meinst du damit?«, fragt Thomas.
»Über uns. Irgendwas Romantisches. Bitte.« Selbst wenn ich mich nicht mehr an unsere
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