Mystic City Bd 1 - Das gefangene Herz
ich mir nicht leisten: mein Restgeld war in der Manteltasche.
Turk hält mir den Helm ein zweites Mal hin. »Du siehst eigentlich ganz vernünftig aus. Keine bange: Ich bringe dich heil nach Hause. Die Kundschaft hier ist nicht ganz deine Liga.«
»Wir funktioniert dieses Ding?«, frage ich skeptisch und beäuge das Fahrzeug. Der Motor ist doppelt so groß wie mein Kopf und die Auspuffrohre sind auf Hochglanz poliert. »Es ist doch bestimmt zu breit für die meisten Straßen.«
Turk lacht. »Sagen wir mal, dieses Schätzchen ist ein bisschen aufgemotzt.« Er zwinkert. »Wird dir gefallen.«
»Okay«, sage ich und setze den Helm auf. Ich will aufsteigen, aber es gibt nur einen Sattel, und darauf sitzt er.
Turk klatscht sich mit den Händen auf die Schenkel. »Na komm schon, Süße.«
Ich ziehe die Augenbrauen hoch. Turk ebenfalls.
Ich stöhne. »Willst du dich über mich lustig machen?«
»Nee«, sagt Turk und streckt mir seine Hand entgegen. »Hier ist gar nichts lustig.«
Er zieht mich hoch und ich setze mich vor ihn. Er drückt einen Schalter und eine schlanke Lenkstange kommt aus einem Schlitz vorn am Motorrad.
Turk beugt sich vor und greift um mich herum nach dem Lenker. »Bereit?«, fragt er, den Mund dicht an meinem Ohr; sein Atem ist warm und frisch.
»Klar«, sage ich.
»Sag mir einfach, wohin es gehen soll.«
Ich flüstere mein Ziel. Turk drückt einen winzigen Knopf – und wir gehen in Flammen auf. Denn Turk hat nicht zu viel versprochen: Sein Motorrad ist tatsächlich aufgemotzt. Und zwar mit mystischer Energie.
Wir brausen schwankend durch die schmalen Straßen. Immer wieder kippen wir gefährlich zur Seite. Ich kann kaum glauben, dass die Schwerkraft uns hält. Doch die Geschwindigkeit verhindert jede Übelkeit. Wir rasen mal nach rechts, mal nach links, donnern über Betonbrocken, Müll und Glassplitter, und die Gebäude am Straßenrand verschmelzen zu einer einzigen Wand.
Wir zischen an einer Gondelflotte vorbei, die über Nacht am Ufer festgemacht ist und im schwarzen Wasser zu schlafen scheint. Pfähle am Rand der Gehsteige dienen zum Vertäuen. Das Motorrad ist schmal genug, um über eine Steinbrücke zu fahren, und beweglich genug, um in einer engen Gasse zu wenden.
Während der Fahrt halten wir nur Kontakt über unsere Körper, die sich den Bewegungen der Maschine anpassen. Turk hat die Arme fest um mich gelegt. Ich schließe die Augen und stelle mir an seiner Stelle jemand anders vor.
Dann stoppen wir. Die Lenkstange wird wieder eingefahren, Turk springt vom Motorrad und landet mit beiden Füßen fest auf dem Boden. Ich rutsche elegant an der Seite hinunter und nehme den Helm ab – das schweißnasse Haar klebt mir an der Stirn. Ich kämme es mit den Fingern durch. Turk schaut zu.
»Was ist denn?«, sage ich.
»Nichts. War nett, dich kennenzulernen.« Er will schon wieder aufsteigen.
»Warte«, sage ich und lege ihm die Hand auf den Arm. »Ich muss dich was fragen.«
»Und zwar?«
»Wegen Hunter.« Er lächelt. Sein Gesicht verrät mir, dass er meine Reaktion vorausgesehen hat. »Ich weiß, ihr beide seid Freunde«, fahre ich fort, »und …«
»Du weißt nichts über ihn?«
»Exakt.«
»Da gibt es nicht viel zu wissen.«
»Was soll das heißen?«
Turk zuckt mit den Schultern. »Hunter ist ein Typ voller Geheimnisse. Wenn er dir was sagen will, sagt er es. Wenn nicht, dann eben nicht.« Turk wiegt den Helm in seiner Armbeuge hin und her. »Aber tu dir selbst einen Gefallen: Lass die Sache auf sich beruhen. Vergiss ihn einfach.«
Vergessen. Darin bin ich ziemlich gut.
»Na ja, wenigstens hat mir die Fahrt Spaß gemacht«, sage ich leise.
»Das Vergnügen war ganz auf meiner Seite«, sagt Turk. Er steigt wieder auf, verstaut den Helm in einem kleinen Transportbehälter hinter dem Sitz und startet den Motor. »Pass auf dich auf. Ich hoffe, du weißt, was du tust.«
Der AP ist nur ein paar Schritte entfernt. Aus Turks Frage kann ich schließen, dass er den Verdacht hat, dass ich Thomas’ Apartment als Ziel angegeben habe und nicht das Haus meiner Eltern. Gut, wir leben auf verschiedenen Seiten der Stadt, man muss also kein Genie sein, um zu begreifen, dass ich in die falsche Richtung wollte. Aber wenigstens versucht Turk nicht, mich von meinem Vorhaben abzuhalten.
»Klar. Danke.« Ich zeige auf seinen Kopf. »Warum trägst du keinen Helm?«, rufe ich ihm durch den Motorlärm zu.
Turk grinst nur und zeigt auf seinen Iro, der die wilde Fahrt erstaunlicherweise
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