Mystic City Bd 1 - Das gefangene Herz
ansetzt, knackt irgendwo laut ein Ast. Er richtet sich auf und blickt sich wachsam um. »Komm.« Er hält mir die Hand hin. »Gehen wir.«
Wir durchqueren das verfallene Schloss und sind grade bei der Steintreppe angelangt, als wie aus dem Nichts vor uns eine Gestalt auftaucht. Ich kann nur ihre Silhouette erkennen.
»Hunter, was machst du hier?«, sagt die volle, kräftige Stimme einer Frau. »Ich habe dich beim Fest entdeckt und mitbekommen, dass du dich hierher verdrückt hast. Wenn dich jemand sieht …«
Jetzt erkenne ich im Widerschein der fernen Lichter ihr Gesicht: Violet Brooks, die Garlands Wahlgegnerin. Auch sie erkennt mich sofort und erstarrt.
Hunter muss schlucken, bevor er die Sprache wiederfindet. »Aria Rose«, sagt er, »darf ich dir meine Mutter vorstellen.«
13
Eine Stimme in meinem Kopf schreit: Lauf weg! »Ich muss gehen!«, rufe ich Hunter zu.
»Aria, warte!«
Aber ich renne einfach los in Richtung Große Wiese. Ich verlasse schleunigst den Prächtigen Block und peile den AP an, den mir Hunter genannt hat. Nicht ein Mal werfe ich einen Blick zurück.
Hunter ist nicht nur ein unregistrierter – und daher illegaler – Mystiker, zu allem Übel ist seine Mutter auch noch Violet Brooks.
Was mache ich hier eigentlich? Wenn ich meinen Eltern verrate, dass Violet die Mutter eines Rebellen ist – offenbar konnte sie dies bislang vor den Medien verbergen –, dann wird man sie durch den Dreck ziehen und Garland gewinnt die Wahl. Aber will ich das? Sollen die Roses und die Fosters weiterhin die Stadt regieren, sollen Mystiker weiterhin unterdrückt und misshandelt werden?
Meine Familie begeht großes Unrecht. Aber sie ist immer noch meine Familie. Ich weiß nicht, ob ich ein so brisantes Geheimnis für mich behalten kann.
Zu Hause angekommen, steige ich in den Lift, gebe den Code ein, fahre hinauf und steige in der Küche aus. Das Apartment ist dunkel. Es klingelt leise, als sich die Fahrstuhltür hinter mir schließt. Ich warte kurz, um sicherzugehen, dass niemand aufgewacht ist. Ich darf weder Kyle noch einen der Diener aufscheuchen.
Ich schleiche direkt zu Davidas Zimmer. Ich muss dringend mit ihr reden. Jetzt ist die einzige Gelegenheit. Wer weiß, morgen könnte sie den ganzen Tag im Auftrag meiner Mutter unterwegs sein. Leise klopfe ich; die Tür gleitet sofort auf.
»Aria?«, flüstert Davida. Sie trägt ein Nachthemd aus schlichter weißer Baumwolle, das schwarze Haar fällt ihr offen über die Schultern.
Ich gehe zu ihr rein und warte, bis sich die Tür hinter mir schließt. Ich bin schweißgebadet und meine Knie zittern nach meiner überstürzten Flucht aus dem Block. Trotz meiner Erschöpfung bin ich hellwach. »Was ist los?«, fragt Davida und wischt sich den Schlaf aus den Augen.
Ich setze mich auf ihre Bettkante. Dann hole ich die Handschuhe heraus und lege sie auf die weiße Steppdecke. Davida reißt erschrocken die Augen auf. Ich blicke sie erwartungsvoll an.
»Jetzt weißt du alles, nehme ich an«, sagt sie.
Ich hebe die Hände. »Ich weiß gar nichts.«
»Pst!«, sagt Davida und setzt sich neben mich. »Du weckst noch Magdalena und die anderen auf.«
»Ich will die Wahrheit. Und zwar die ganze. Wozu brauchst du die magischen Handschuhe? Wer bist du wirklich?«
Sie wendet sich ab, damit ich ihr Gesicht nicht sehen kann. Ich will ihr keine Angst machen, aber ich will Antworten – ich brauche Antworten.
»Also gut.« Sie hat mir noch immer den Rücken zugewandt. Ich will ihr eine Hand auf die Schulter legen, aber sie schüttelt sie ab. »Ich bin Mystikerin.«
»Wie bitte?«
»Du hast es gehört.«
»Das kann nicht wahr sein. Davida, ich kenne dich, seit wir Kinder waren. Meine Familie hat dich aus einem Waisenhaus in der Tiefe zu uns geholt. Du bist arm, aber keine Mystikerin. Deine Eltern sind gestorben, als …«
»Meine Eltern leben.« Davida steht auf und beginnt, hin und her zu gehen. »Niemand weiß das. Mystiker – auch registrierte – sind Bürger zweiter Klasse. Meine Eltern haben sich ein besseres Leben für mich gewünscht. Deshalb haben sie mich in ein Waisenhaus gegeben. Dort gab es eine Mystikerin namens Shelly, die mir beigebracht hat, wie ich meine magischen Kräfte verbergen kann, um der Registrierung zu entgehen. Die Handschuhe helfen mir dabei. Wenn ich sie trage, kann ich Menschen berühren, ohne dass sie meine Energie spüren. Besser, die Leute denken, meine Hände seien entstellt, als dass sie mich für ein Ungeheuer halten.
Als mich
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