Mystic City Bd 1 - Das gefangene Herz
erkenne einen Schemen auf dem Balkon. Rasch öffne ich die Balkontür und starre in die Augen von … Turk.
Die Lichter der Umgebung lenken meine Aufmerksamkeit auf seine bunte Irokesenfrisur. Seine Augen sind dunkel, die Iris wie aus blankem Metall und über sein kantiges Gesicht huscht ein Grinsen. Er trägt ein ärmelloses gelbes T-Shirt, Tattoos schlängeln sich über seine Arme.
»Hast du mich vermisst?«, fragt er.
Ich schüttele den Kopf und trete einen Schritt zurück. »Was … was machst du hier?«
Er hüpft herein und schließt die Balkontür hinter sich. »Ganz schön heiß da draußen«, sagt er und wischt sich die Stirn. »Danke, dass du mich hereingebeten hast.«
»Ich habe dich nicht hereingebeten.«
Turk lässt sich in den Stuhl vor meinem Schreibtisch plumpsen, mustert meine Einrichtung und pfeift anerkennend. »Nette Bude.«
»Red keinen Blödsinn«, sage ich und verschränke die Arme vor der Brust. »Wo ist Hunter?«
»Immer nur Hunter, Hunter, Hunter«, meckert Turk. »Gegen den kann ich einfach nicht anstinken. Dabei bin ich selbst ein ziemlich cooler Typ.«
»Davon konnte ich mich gerade überzeugen«, sage ich. »Hast du das Schlupfloch benutzt? Wie funktioniert es? Wie bist du durch das Überwachungsnetz der Horste gekommen?« Auch nachts werden die Bewegungsdaten kontrolliert. »Kann das Schlupfloch aufgespürt werden? Oder ist es … unsichtbar?«
Turk kratzt sich am Kinn. »So viele Fragen auf einmal.«
»Ich muss das wissen«, sage ich.
»Wer, glaubst du, hat dieses sogenannte Sicherheitsnetz aufgebaut?«, fragt Turk sarkastisch und beginnt, nervös auf- und abzulaufen. »Wer hat die Horste entworfen und gebaut? Mystiker. Wir sind die wahren Erbauer der Stadt.« Er deutet in Richtung Balkontür. »Sicherheitseinrichtungen? Netz? Alles Quatsch. Wenn es sein muss, können wir alle Datensysteme abstürzen lassen.«
»Und warum habt ihr das noch nicht getan?«
»Wir wollen keinen Krieg auslösen. Wir wollen die Wahl auf faire Weise gewinnen.«
»Wer ist wir? Du und Hunter?«
Turk schüttelt den Kopf. »Alle. Die registrierten Mystiker im Block und die Rebellen im Untergrund. Wir wollen leben können wie ihr. Nicht mehr, nicht weniger. Wir verlangen Gleichberechtigung.«
Sind Mystiker wirklich menschliche Wesen? Ihre Magie und ihre Kräfte sind doch unnatürlich. Turk oder Hunter könnte allein durch Berührung einen Menschen töten.
»Was denkst du?«, fragt Turk leise.
Nein, schelte ich mich. Was sind das für absurde Gedanken. So denken meine Eltern, nicht ich. Natürlich haben Davida und Hunter dieselben Rechte wie wir.
»Ich bin verwirrt«, antworte ich.
»Du musst nicht alles sofort verstehen.« Turk sieht mich eindringlich an. »Aber bald wirst du dich für eine Seite entscheiden müssen. Ich hoffe, du wählst die richtige.«
»Das hoffe ich auch.«
Er vergräbt die Hände in den Taschen seiner Jeans. »Hunter konnte nicht kommen. Deshalb hat er mich geschickt – du sollst nicht glauben, er hätte dich versetzt.«
»Oh. Danke.« Ich bin enttäuscht. »Gern geschehen«, sagt Turk.
»Was hat ihn abgehalten?« Ich merke, wie meine Stimme brüchig wird. Ich fürchte, Turk könnte sagen, was ich nicht hören will: Hunter findet mich nervig und hält mich für ein Kind.
In diesem Moment geht die Tür auf. »Aria? Mit wem sprichst du?«
Turk und ich erstarren.
Kyle bleibt stehen, als er Turk bemerkt. Er bleibt stocksteif stehen. Die Adern an Hals und Stirn treten hervor, seine Wangen werden puterrot, als hätte er ein Gespenst erblickt.
»Was zum Teufel ist hier los?« Noch nie habe ich Kyle so wütend erlebt. »Wer bist du? Und was machst du im Schlafzimmer meiner Schwester?«
Turk nimmt sich nicht die Zeit für eine Antwort. Er reißt die Balkontür auf, springt hinaus und öffnet das Schlupfloch. Ein letztes Mal dreht er sich noch um, zwinkert mir zu und stürzt sich in den grün lodernden Kreis, und sofort beginnt das Schlupfloch zu schrumpfen.
Mit einem Satz ist Kyle ebenfalls draußen. Verzweifelt greift er nach Turk, doch sein Gegner hat sich längst in Luft aufgelöst. Kyle brüllt wie ein Irrer: »Ich werde dich finden!«
Ich bekomme Angst. Kyle ist sonst immer die Beherrschung in Person.
»Kannst du mir das bitte erklären«, verlangt er, nachdem er ins Zimmer zurückgekehrt ist und die Glastür geschlossen hat. »Was hast du dir dabei gedacht?«
»Nichts.« Wie lächerlich ich klingen muss! Mein Bruder überrascht mich mit einem gefährlich
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