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Mystic River

Titel: Mystic River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
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hinter dem Kaufhaus Zayres in Rome Basin gegen einen Müllcontainer setzten. Beim Aussteigen verrenkte sich Val den Knöchel und Jimmy, der schon halb über den Zaun zum benachbarten unbebauten Grundstück geklettert war, machte kehrt, um Val zu helfen. Dave stellte sich das immer wie im Film vor: Der tapfere Soldat geht zurück, um seinen gestrauchelten Kameraden zu retten, während die Kugeln ihnen nur so um die Ohren fliegen. (Dave bezweifelte zwar, dass die Bullen geschossen hatten, aber es war cooler so.) Die Bullen schnappten die beiden an Ort und Stelle und sie verbrachten eine Nacht im Jugendknast. Sie durften die sechste Klasse beenden, da es nur noch ein paar Tage bis zu den Ferien waren, dann wurde ihren Eltern ausgerichtet, sie müssten ihre Söhne woanders unterbringen.
    Bis er dreizehn war, sah Dave Jimmy nur noch selten, vielleicht ein- oder zweimal im Jahr. Daves Mutter ließ ihn nicht mehr aus dem Haus, nur noch zur Schule. Sie war überzeugt, dass sich die Männer noch immer draußen herumtrieben, Kindern auflauerten, dieses nach Äpfeln riechende Auto fuhren und ihren Sohn ausfindig machten wie wärmegesteuerte Raketen.
    Dave wusste, dass das nicht stimmte. Es waren schließlich Wölfe und Wölfe witterten des Nachts die nächste, lahmste Beute und erlegten sie. Inzwischen suchten sie ihn öfter heim, der große und der böse Wolf, dazu Bilder von dem, was sie mit ihm gemacht hatten. Diese Bilder attackierten Dave selten im Schlaf, sondern stahlen sich in der schrecklichen Stille ihrer Wohnung zu ihm, wenn niemand sprach, wenn er einen Comic lesen, fernsehen oder aus dem Fenster auf die Rester Street gucken wollte. Sie kamen zu ihm und Dave versuchte sie zu vertreiben, indem er die Augen schloss, versuchte zu vergessen, dass der dicke Wolf Henry und der böse Wolf George hieß.
    Henry und George, begleitete eine Stimme die hervorsprudelnden Bilder in Daves Kopf, Henry und George, Henry und George, Henry und George, du kleines Scheißerchen.
    Und Dave sagte der Stimme in seinem Kopf, dass er kein kleines Scheißerchen sei. Er sei »der Junge, der den Wölfen entkam«. Um sich die Bilder vom Leibe zu halten, ging er seine Flucht in Gedanken immer wieder durch, Schritt für Schritt: der Spalt, den er neben den Angeln der Klappe zur Kellertreppe entdeckt hatte, das Geräusch des fortfahrenden Autos, weil die beiden was trinken gehen wollten, die Schraube mit dem fehlenden Kopf, mit der er den Spalt erweitert hatte, bis die rostige Angel brach und ein Holzstück in Form einer Messerklinge absplitterte. Er war herausgekommen, dieser »Junge, der schlau war«, war dann sofort in den Wald gekrabbelt und der Spätnachmittagssonne bis zu einer eine Meile entfernten Esso-Tankstelle gefolgt. Sie zu sehen versetzte ihm einen Schock – dieses runde blau-weiße Schild, dessen Beleuchtung schon angeschaltet war, obwohl es noch nicht richtig dunkel war. Es erschütterte Dave tief, das weiße Neonlicht. Er konnte nicht anders, als dort, wo der Wald aufhörte und der uralte graue Teer begann, auf die Knie zu fallen. Und so fand ihn Ron Pierrot, der Betreiber der Tankstelle: kniend zum Schild hochblickend. Ron Pierrot war ein dünner Mann, dessen Hände aussahen, als könnten sie ein Bleirohr zerbrechen, und Dave fragte sich oft, was wohl passiert wäre, wenn »der Junge, der den Wölfen entkam« eine Filmfigur gewesen wäre. Na, dann wären Ron und er Kumpel geworden und Ron hätte ihm alles beigebracht, was Väter ihren Söhnen zeigen, und sie hätten ihre Pferde gesattelt, die Gewehre geladen und wären zu endlosen Abenteuern aufgebrochen. Sie hätten richtig viel Spaß zusammen gehabt, Ron und der Junge. Sie wären Helden gewesen, draußen in der Wildnis, hätten alle Wölfe bezwungen.
    In Seans Träumen bewegte sich die Straße. Er guckte durch die offene Tür des Autos, das nach Äpfeln roch, und die Straße griff nach seinen Füßen und schleppte ihn zum Wagen. Dave saß auf der Rückbank, gegen die andere Tür gedrückt, sein Mund war zu einem lautlosen Heulen geöffnet, als die Straße Sean zum Auto trug. In seinem Traum sah er nur die offene Tür und den Rücksitz. Den Mann, der wie ein Polizist gekleidet war, konnte er nicht sehen. Auch nicht seinen Spießgesellen, der auf dem Beifahrersitz gesessen hatte. Auch Jimmy nicht, obwohl Jimmy die ganze Zeit neben ihm gewesen war. Er sah nur den Rücksitz und Dave und die Tür und den Müll auf dem Boden. Das, wurde ihm klar, hatte seine Alarmglocken zum Läuten

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