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Mystic River

Titel: Mystic River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
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Clay.« Sie lächelte zurück.
    »Ja?«
    »O ja. Du wirst den Frauen später reihenweise die Herzen brechen.«
    »Hm, gut«, erwiderte Jimmy und sie mussten beide lachen.
    »Du könntest gesprächiger sein«, sagte seine Mutter.
    Du auch, lag Jimmy auf der Zunge.
    »Aber das ist schon in Ordnung. Frauen mögen stille Männer.«
    Hinter seiner Mutter sah Jimmy seinen Vater mit zerknautschter Kleidung und vom Schlaf oder Suff aufgedunsenem Gesicht aus dem Haus stolpern. Sein Vater schaute sich die Feier an, als wisse er nicht, warum sie stattfand.
    Jimmys Mutter folgte dem Blick ihres Sohnes, und als sie sich wieder zu ihm umdrehte, wirkte sie wieder ausgelaugt, das Lächeln auf ihrem Gesicht war verschwunden, und zwar so spurlos, dass man sich fragte, ob sie überhaupt je gelächelt hatte. »Hey, Jim.«
    Jimmy fand es herrlich, wenn sie ihn »Jim« nannte. Dann hatte er das Gefühl, dass sie beide ein Geheimnis teilten.
    »Ja?«
    »Ich bin wirklich froh, dass du nicht in das Auto gestiegen bist, mein Schatz.« Sie küsste ihn auf die Stirn und Jimmy sah ihre Augen blitzen, dann stand sie auf und ging zu den anderen Müttern, wobei sie ihrem Mann den Rücken zuwandte.
    Jimmy blickte hoch und erkannte Dave, der wieder durch das Fenster auf ihn herunterstarrte; jetzt brannte hinter ihm im Zimmer ein schwaches Licht. Jimmy machte nicht mal mehr den Versuch, ihm zuzuwinken. Jetzt, wo Polizei und Reporter fort waren und die Party in vollem Gange war, ohne dass noch einer wusste, warum überhaupt gefeiert wurde, konnte Jimmy spüren, wie Dave sich oben in der Wohnung fühlen musste, allein, nur mit seiner verrückten Mutter, umgeben von braunen Tapeten und schwachem Licht, während unten auf der Straße richtig was los war.
    Und jetzt freute auch er sich, nicht in das Auto gestiegen zu sein.
    Einen Knacks. Das hatte Jimmys Vater am Abend zuvor zu seiner Mutter gesagt: »Selbst wenn sie ihn lebend finden, hat der Junge einen Knacks weg. Der wird nicht mehr wie früher.«
    Dave hob die Hand. Er hielt sie auf Höhe der Schulter und bewegte sie sehr lange nicht, und als Jimmy zurückwinkte, merkte er, wie sich eine Traurigkeit in ihn grub, ganz tief hinein, und sich in kleinen Wogen ausbreitete. Er wusste nicht, ob die Traurigkeit mit seinem Vater, seiner Mutter, mit Miss Powell oder der Straße zusammenhing oder mit Dave, der im Fenster stand und seine Hand nicht bewegte. Was auch immer sie ausgelöst haben mochte – einer dieser Gründe oder alle gemeinsam –, die Traurigkeit würde nie wieder, davon war er überzeugt, aus ihm herauskommen. Jimmy, der am Straßenrand saß, war elf Jahre alt, aber so fühlte er sich nicht mehr. Er fühlte sich alt. So alt wie seine Eltern, so alt wie die Straße.
    Einen Knacks, dachte Jimmy und ließ die Hand in den Schoß sinken. Er sah, wie Dave ihm zunickte und die Rollläden herunterzog, um wieder allein in dieser allzu stillen Wohnung mit den braunen Tapeten und tickenden Uhren zu sein. Jimmy merkte, wie die Traurigkeit in ihm Wurzeln schlug, es sich in ihm gemütlich machte, als fände sie es heimelig dort. Er wollte überhaupt nicht mehr, dass sie wieder herauskäme, denn irgendwie ahnte er, dass es sinnlos war.
    Er stand auf, ohne zu wissen, was er vorhatte. Er hatte wieder dieses kribbelnde, juckende Bedürfnis, auf etwas draufzuhauen oder etwas Neues, Verrücktes zu unternehmen. Doch dann knurrte sein Magen und er merkte, dass er immer noch Hunger hatte, und so stellte er sich erneut nach einem Hotdog an und hoffte, dass noch welche da waren.
     
    Einige Tage lang war Dave Boyle eine kleine Berühmtheit, und zwar nicht nur in seinem Viertel, sondern in ganz Massachusetts. Die Schlagzeile am nächsten Morgen im Record American lautete: JUNGE VERSCHWUNDEN/JUNGE GEFUNDEN. Das Foto zeigte Dave auf der Veranda sitzend, die dünnen Arme seiner Mutter um seine Brust geschlungen, zu beiden Seiten von Mutter und Sohn eine Horde grinsender Nachbarskinder, die Grimassen in die Kamera schnitten. Alle sahen überglücklich aus, nur Daves Mutter nicht. Sie wirkte, als hätte sie bei eisiger Kälte den Bus verpasst.
    Innerhalb einer Woche nannten ihn die Kinder, die mit ihm auf dem Titelblatt abgebildet gewesen waren, in der Schule den »Spinner«. Dave schaute sie an und nahm eine Gehässigkeit in ihren Gesichtern wahr, die sie wohl genauso wenig verstanden wie er selbst. Daves Mutter meinte, das hätten sie wahrscheinlich von ihren Eltern, beachte sie einfach nicht, Davey, irgendwann wird es

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