Mystic River
seiner Lunge.
Und der Junge sagte: »Gut.«
Erst als er den Mann in den Kofferraum des Honda befördert hatte, wurde Dave klar, dass er den Cadillac hätte nehmen sollen. Die Scheiben hatte er bereits hochgekurbelt, den Motor ausgestellt und die Vordersitze und alles, was er berührt hatte, mit dem Flanellhemd abgewischt. Aber warum sollte er in seinem Honda mit diesem Kerl im Kofferraum durch die Gegend fahren und eine Stelle zum Abladen suchen, wenn sich die Lösung des Problems direkt vor ihm befand?
Daher fuhr Dave seinen Wagen rückwärts neben den Cadillac, ohne den Blick vom Seitenausgang der Kneipe abzuwenden, aus der schon längere Zeit niemand mehr getreten war. Er ließ erst seinen, dann den Kofferraum des Cadillacs aufspringen und zerrte die Leiche von einem Auto ins andere. Dann schloss er beide Kofferräume, wickelte Springmesser und Waffe in das Flanellhemd, warf es auf den Vordersitz des Honda und verpisste sich.
Hemd, Messer und Pistole warf er von der Brücke in der Roseclair Street in den Penitentiary-Kanal. Erst später wurde ihm klar, dass Katie Marcus wohl gerade im Park, der sich ebenfalls unter der Brücke erstreckte, gestorben war, als er das tat. Dann war er nach Hause gefahren, in der Überzeugung, dass das Auto mit der Leiche im Kofferraum jeden Moment gefunden werden würde.
Am späten Sonntagabend war er beim Last Drop vorbeigefahren, da hatte ein Auto neben dem Cadillac gestanden, ansonsten war der Parkplatz leer gewesen. Dave hatte den anderen Wagen erkannt, er gehörte Reggie Damone, einem der Barkeeper. Der Cadillac hatte unschuldig und vergessen gewirkt. Noch später am Sonntag war er wiedergekommen und hatte fast einen Herzschlag bekommen, als er sah, dass die Stelle leer war, wo der Cadillac gestanden hatte. Dave war klar, dass er sich nicht beiläufig nach dem Cadillac erkundigen konnte, nach dem Motto: »Hey, Reggie, lasst ihr eigentlich abschleppen, wenn ein Auto zu lange bei euch steht?« Dann begriff Dave, dass ihn jetzt niemand mehr mit dem Cadillac in Verbindung bringen konnte, was auch immer mit dem Wagen passiert sein mochte.
Außer dem rothaarigen Jungen.
Aber nach und nach war Dave zu dem Schluss gekommen, dass der Junge zwar Angst gehabt hatte, gleichzeitig jedoch auch befriedigt gewesen war, aufgeregt. Er war auf Daves Seite. Um ihn musste er sich keine Sorgen machen.
Die Bullen hatten nichts in der Hand. Sie hatten keinen Zeugen. Sie hatten noch nicht mal das belastende Material aus Daves Honda, jedenfalls nichts, was sie vor Gericht verwenden konnten. Dave konnte sich also entspannen. Er konnte mit Celeste sprechen, alles gestehen, der Sache ihren Lauf lassen und hoffen, dass sie ihm verzieh und ihn als einen Mann akzeptierte, der zwar Fehler hatte, aber sich ändern wollte. Dass sie einen guten Mann in ihm sah, der aus gutem Grund etwas Schlimmes getan hatte. Einen Mann, der sein absolut Äußerstes gab, um die Vampire in seiner Seele zu schlachten.
Ich werde aufhören, an Parks und öffentlichen Badeanstalten vorbeizufahren, sagte sich Dave, als er das dritte Bier austrank. Er hob die leere Dose hoch. Hiermit werde ich auch aufhören.
Aber nicht heute. Heute hatte er schon drei Biere intus und es sah verdammt noch mal nicht danach aus, als würde Celeste bald nach Hause kommen. Vielleicht morgen. Das wäre in Ordnung. So hätten sie beide genügend Zeit, ihre Wunden heilen zu lassen. Wenn sie nach Hause käme, säße ein neuer Mann da, ein besserer Dave ohne Geheimnisse.
»Denn Geheimnisse sind Gift«, sagte er laut in der Küche, in der er sich letztens mit seiner Frau geliebt hatte. »Geheimnisse sind Wände.« Und mit einem Grinsen fügte er hinzu: »Das Bier ist alle.«
Er fühlte sich gut, fast schon beschwingt, als er aus dem Haus trat und zu Eagle Liquors lief. Es war ein herrlicher Tag, die Sonne strahlte. Als sie Kinder gewesen waren, war die Hochbahntrasse hier verlaufen und hatte die Crescent Street in der Mitte geteilt. Der Ruß war auf die Straße gerieselt und die Trasse hatte einem den Blick auf den Himmel versperrt. Das hatte den Eindruck nur noch verstärkt, dass die Flats ein Ort waren, an dem ein vertriebener Volksstamm lebte, der vor dem Rest der Welt versteckt wurde und tun und lassen konnte, was er wollte, solange er blieb, wo er war.
Nachdem sie die Trasse abgerissen hatten, waren die Flats aufgetaucht. Eine Zeit lang freuten sich die Leute darüber. Es gab viel weniger Ruß, mehr Sonne und man hatte einen gesünder aussehenden
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