Mystic River
Klimper-Ray.«
Jimmy schnippte mit den Fingern und zeigte auf Val. » Genau! Wegen dem ganzen Kleingeld.«
Val beugte sich zu Dave hinunter und flüsterte ihm ins Ohr: »Das war einer! Schleppte jeden beschissenen Tag so an die zehn Kröten in seinen Taschen herum. Warum, wusste keiner. Er hatte halt gerne ‘ne Menge Kleingeld in der Tasche, falls er mal zufällig in Libyen oder am Arsch der Welt anrufen musste, schätze ich. Wer weiß? Aber er lief den ganzen Tag mit den Händen in den Taschen herum und klimperte mit dem Geld. Ich meine, der Kerl machte Brüche, deshalb hab ich zu ihm gesagt: ›Dich hört doch jeder kommen, Ray!‹ Aber scheinbar ließ er das Geld bei der Arbeit zu Hause.« Val seufzte. »Komischer Kauz.«
Val nahm den Arm von Daves Schulter und zündete sich die nächste Zigarette an. Der Qualm zog Dave ins Gesicht, er merkte, wie er über seine Wangen kroch und sich in seinem Haar verfing. Durch den Rauch sah er, dass ihn Jimmy mit diesem leeren, entschlossenen Gesichtsausdruck beobachtete. Irgendetwas in Jimmys Augen gefiel ihm nicht, obwohl es ihm vertraut vorkam.
Jimmy guckte wie ein Bulle, wurde Dave plötzlich klar. Wie Sergeant Powers. In Dave stieg dieses Gefühl auf, als würde ihm Jimmy direkt in den Kopf blicken. Das Lächeln in Jimmys Gesicht war wieder da, hüpfte auf und ab wie ein Schlauchboot und Daves Magen machte mit, fühlte sich an wie beim Wellenreiten.
Dave schluckte mehrmals und atmete tief durch.
»Alles klar bei dir?«, erkundigte sich Val.
Dave hob die Hand. Wenn alle einfach den Rand hielten, kam er schon klar. »Ja.«
»Wirklich?«, fragte Jimmy. »Du siehst grün aus, Mann!«
Es stieg in Dave hoch und er musste würgen. Schweißperlen traten ihm auf die Stirn. »Oh, Scheiße!«
»Dave?«
»Mir wird schlecht«, stieß er hervor und merkte, dass es ihm wieder hochkam. »Echt!«
»Okay, okay«, sagte Val und rutschte schnell von der Bank. »Nimm die Hintertür. Huey wischt es nicht gern von der Klobrille. Verstanden?«
Dave stemmte sich hoch, Val fasste ihn an den Schultern und drehte ihn um, bis Dave die Tür am Ende der Kneipe hinter dem Billardtisch sehen konnte.
Dave steuerte auf die Tür zu, versuchte, gerade zu gehen, einen Fuß vor den anderen zu setzen, einen Fuß vor den anderen, aber die Tür hatte trotzdem etwas Schlagseite. Es war eine dunkle, kleine Tür aus schwarz gestrichenem Eichenholz, der man ihr Alter ansah. Auf einmal spürte Dave die Hitze in dem Laden. Sie war feucht und schwer und lag drückend auf ihm, und er stürzte auf die Tür zu, griff nach dem Messingknauf und war dankbar für dessen Kühle in seiner Hand, als er ihn drehte und die Tür aufstieß.
Als Erstes sah er Gestrüpp. Dann Wasser. Er stolperte nach draußen, überrascht, wie dunkel es hier hinten war. Wie auf Bestellung sprang eine Lampe über der Tür an und beleuchtete den rissigen Teer vor ihm. Er konnte die Autos auf der Brücke über ihm hupen und vorbeirauschen hören und plötzlich ebbte die Übelkeit langsam ab. Vielleicht ging es doch noch. Er sog die Nachtluft ein. Links von ihm stapelten sich morsche Holzpaletten und verrostete Hummerfallen, einige hatten Risse, als wären sie von Haien bearbeitet worden. Dave wunderte sich, warum es hier so weit vom Meer entfernt an einem Fluss Hummerfallen gab, dann kam er aber zu dem Schluss, dass er eh zu besoffen war, um das zu begreifen. Hinter den Holzpaletten befand sich ein Maschendrahtzaun. Er war genauso verrostet wie die Hummerfallen und Gestrüpp rankte sich um ihn. Rechts von ihm wuchs ebenfalls Unkraut. Der Zaun war so hoch, dass er die meisten Menschen überragte, und so lang, dass er sich mehr als zwanzig Meter über den rissigen, gesprungenen Teer erstreckte.
Daves Magen krampfte sich erneut zusammen. Der Krampf war so stark, dass er Daves gesamten Körper ergriff. Dave stolperte ans Ufer, fiel hin und beugte sich gerade noch rechtzeitig nach vorne. Dann ergossen sich die Angst, die Sprite und das Bier in den öligen Mystic River. Es war reine Flüssigkeit. Sonst war nichts in ihm. Er konnte sich absolut nicht daran erinnern, wann er zum letzten Mal etwas gegessen hatte. Kaum hatte das Erbrochene seinen Körper verlassen, fühlte er sich besser. Er spürte die kühle Dämmerung in seinem Haar. Eine leichte Brise wehte vom Fluss herauf. Er kniete am Ufer und wartete, ob er noch mehr hochwürgen würde, bezweifelte es aber. Es war, als sei er gereinigt worden.
Er betrachtete die Brücke, über die die
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