Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Mystic River

Titel: Mystic River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
Vom Netzwerk:
Fahrzeuge in die Stadt hinein oder aus ihr heraus ratterten; alle Menschen waren in Eile und sich gar nicht bewusst, dass sie sich auch nicht besser fühlen würden, wenn sie zu Hause ankämen. Die Hälfte von ihnen würde sofort wieder aufbrechen – etwas einkaufen, was sie vergessen hatten, in die Kneipe, in die Videothek oder in ein Lokal gehen, wo sie wieder Schlange stehen würden. Und wofür? Wofür standen wir Schlange? Wo erwarteten wir anzukommen? Und warum wurden wir nie so glücklich, wie wir es uns vorgestellt hatten, als wir uns auf den Weg machten?
    Zu seiner Rechten entdeckte Dave ein kleines Boot mit Außenbordmotor. Es war an ein dermaßen winziges, durchhängendes Brett gebunden, dass man es nicht guten Gewissens einen Anlegesteg nennen konnte. Hueys Boot, dachte er und grinste beim Gedanken an den todkrank aussehenden Spargeltarzan. Dave stellte sich vor, wie Hueys pechschwarzes Haar im Wind wehte, während sein Boot auf dem öligen Wasser schwankte.
    Dave drehte sich um und betrachtete die Paletten und das Gestrüpp. Kein Wunder, dass die Leute hierher zum Kotzen kamen. Hier war man unbeobachtet. Man konnte die Stelle nur sehen, wenn man mit einem Fernglas auf der anderen Seite des Flusses stand. Der Platz war fast völlig zugebaut und ziemlich ruhig; die Autos, die über ihm entlangfuhren, hörte man hier unten kaum, das Gestrüpp verschluckte fast alle Geräusche außer das Schreien der Möwen und das Plätschern des Wassers. Wenn Huey schlau wäre, würde er hier hinten aufräumen, eine Terrasse bauen und die ganzen Yuppies anlocken, die nach Admiral Hill zogen und Chelsea zum nächsten Schauplatz der Luxussanierung machen würden, sobald sie mit East Bucky fertig waren.
    Dave spuckte ein paar Mal aus und wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. Er stand auf und beschloss, Val und Jimmy zu sagen, dass er etwas essen müsse, bevor er weitertrinken könne. Brauchte ja nichts Tolles sein, nur eine Grundlage. Und als er sich umdrehte, standen beide neben der schwarzen Tür, Val links, Jimmy rechts von ihr, die Tür war zu und Dave fand, sie sähen irgendwie komisch aus, als ob sie hier wären, um Möbel auszuliefern und nicht wüssten, wo sie sie bei all dem Gestrüpp abstellen sollten.
    »Hey, Leute!«, rief Dave. »Wollt ihr aufpassen, dass ich nicht reinfalle?«
    Jimmy kam auf ihn zu. Das Licht über der Tür ging aus. Jimmy, schwarz in der Dunkelheit, näherte sich langsam, ab und zu fiel ein bisschen Licht von der Brücke auf sein weißes Gesicht. Dann verschwand es wieder im Schatten.
    »Ich will dir was über Ray Harris erzählen«, sagte Jimmy und sprach so leise, dass Dave sich vorbeugen musste, um etwas zu hören. »Ray Harris war mein Kumpel, Dave. Er kam immer zu Besuch in den Knast. Er hat immer nach Marita und Katie und meiner Mutter geschaut, ob sie vielleicht was brauchten. Das machte er alles, damit ich glaubte, er wäre mein Freund, aber der wirkliche Grund war sein Schuldgefühl. Er fühlte sich schlecht, weil sie ihm die Eier lang gezogen hatten und er mich bei der Polizei verpfiffen hatte. Es ging ihm echt Scheiße deswegen. Aber nachdem er einige Monate lang in den Knast gekommen war, passierte was Komisches.« Jimmy hatte Dave erreicht, blieb stehen und schaute ihn mit leicht seitwärts geneigtem Kopf an. »Ich hab gemerkt, dass ich Ray mochte. Ich meine, ich war wirklich gerne mit ihm zusammen. Wir redeten über Sport, über Gott, über Bücher, über unsere Frauen, unsere Kinder, die Tagespolitik, so was. Ray war so einer, mit dem konnte man über alles reden. Er war an allem interessiert. So was ist selten. Dann starb meine Frau. Weißt du? Sie starb und ein Wächter kam in meine Zelle und sagte: ›Tut mir Leid, Ihre Frau ist gestern Abend um Viertel nach acht gestorben. Sie ist tot.‹ Und weißt du was? Was mich daran fertig machte, dass meine Frau tot war, Dave? Dass sie das alles ganz allein durchstehen musste. Ich weiß, was du jetzt denkst. Dass wir alle allein sterben. Stimmt. Im letzten Moment, wenn du wegrutschst, ja, dann bist du allein. Aber meine Frau hatte Hautkrebs. Sie ist die letzten sechs Monate ihres Lebens gestorben. Und ich hätte dabei sein können. Ich hätte ihr beim Sterben helfen können. Nicht beim Tod, sondern beim Sterben. Aber ich war nicht da. Ray, ein Mann, den ich mochte, war dafür verantwortlich, dass ich und meine Frau diese Möglichkeit nicht hatten.«
    Ein schwacher Lichtschein fiel von der Brücke und Dave sah, wie sich der

Weitere Kostenlose Bücher