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Mystic River

Titel: Mystic River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
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ab und zu über die Schulter geblickt, sich nach ihm umgesehen und ihn nervös angelächelt, als wäre er ein Übernachtungsgast, den sie nicht näher kannte.
    Sie hatte den Teller mit dem glibbrigen Ei, dem verkohlten Frühstücksspeck und dem hellen, durchweichten Toast vor ihm abgestellt und gefragt, ob er Orangensaft wolle.
    »Ma«, fragte er, »was waren das für Männer? Warum haben die …?«
    »Davey«, erwiderte sie, »willst du Orangensaft haben? Hab nicht zugehört.«
    »Klar. Pass auf, Ma, ich weiß nicht, warum sie gerade mich …«
    »Bitte sehr!« Sie stellte den Saft vor ihn. »Frühstücke jetzt schön, ich mach jetzt mal …« Sie zeigte auf die Küche, hatte aber keine Ahnung, was sie machen wollte. »Ich mach jetzt mal … deine Sachen. In Ordnung? Und dann, Davey, dann gehen wir ins Kino. Wie findest du das?«
    Dave sah seine Mutter an und wartete auf ein Zeichen, eine Aufforderung, dass er den Mund aufmachen und ihr alles erzählen solle, von dem Auto, dem Haus im Wald und dem Geruch vom Aftershave des Dicken. Aber er nahm nur eine grelle, harte Fröhlichkeit wahr, diesen Blick, den sie manchmal aufsetzte, wenn sie sich für den Freitagabend fertig machte, wenn sie versuchte, voller Vorfreude das Richtige zum Anziehen zu finden.
    Dave ließ den Kopf hängen und aß das Rührei. Er hörte, wie seine Mutter die Küche verließ und auf dem Weg durch den Flur immer noch »Old MacDonald had a farm« summte.
    Als er jetzt mit schmerzenden Knöcheln auf dem Rasen stand, konnte er es wieder hören: »Old MacDonald had a farm.« Und auf der Farm war alles in bester Ordnung. Man war Bauer, ackerte, erntete und säte und alles war einfach Klasse. Alle kamen gut zurecht, selbst die Hühner und die Kühe, und keiner musste über irgendwas reden, denn es passierte nie was Schlimmes. Und keiner hatte Geheimnisse, weil Geheimnisse was für böse Leute waren, Leute, die ihr Rührei nicht aßen, die zu fremden Männern ins Auto stiegen, das nach Äpfeln roch, und vier Tage lang verschwanden, und wenn sie zurückkamen, waren alle, die sie gekannt hatten, verschwunden, ersetzt von grinsenden Doppelgängern, die so gut wie alles machten, außer zuhören. Wirklich so gut wie alles außer das.

9 FROSCHMÄNNER IM KANAL
    Das Erste, was Jimmy sah, als er sich dem Eingang des Pen-Parks in der Roseclair Street näherte, war ein Wagen der Hundestaffel auf der Sydney Street. Die Hecktüren waren geöffnet und zwei Bullen plagten sich mit sechs Deutschen Schäferhunden an langen Lederleinen ab. Jimmy war von der Kirche die Roseclair Street hochgegangen, hatte sich zusammenreißen müssen, nicht loszulaufen, und erreichte schließlich eine kleine Gruppe von Schaulustigen bei der Überführung, die sich über die Sydney Street spannte. Die Leute standen auf der Anhöhe, wo die Roseclair hinter der Schnellstraße wieder anstieg und sich über den Pen-Kanal zog, bis sie auf der anderen Seite, Buckingham verlassend und nach Shawmut führend, ihren Namen verlor und zum Valenz Boulevard wurde.
    An der Stelle, wo sich die Menschen zusammengefunden hatten, standen sie auf einer fünf Meter hohen Mauer aus Gießbeton, die die Sydney Street auf einer Seite begrenzte, und sahen auf die letzte nordöstlich verlaufende Straße in den Flats von East Bucky hinunter, ein verrostetes Absperrgeländer vor den Knien. Nur wenige Meter östlich dieses Aussichtspunkts wich die Absperrung einer knallroten Treppe aus Sandstein. Als Jugendliche waren sie manchmal mit ihren Freundinnen hergekommen, hatten im Dunkeln Miller-Bier herumgereicht und einen Film über die weiße Leinwand von Hurleys Autokino flackern sehen. Manchmal war Dave Boyle dabei gewesen, nicht weil ihn jemand besonders mochte, sondern weil er so gut wie jeden je gedrehten Film gesehen hatte, und wenn sie breit waren, ließen sie Dave hin und wieder den Text herunterrattern, während sie die stumme Leinwand anstarrten, und manchmal steigerte Dave sich so rein, dass er sogar seine Stimme veränderte, je nachdem welche Figur gerade sprach. Später wurde Dave plötzlich ein guter Baseballer und ging zur Don Bosco, wo er sich zur Sportskanone entwickelte, da konnten sie ihn nicht mehr nur so zum Spaß mitnehmen.
    Jimmy hatte keinen blassen Schimmer, warum ihm das alles so plötzlich in den Sinn kam oder warum er wie angewurzelt an der Absperrung stand und auf die Sydney Street hinunterglotzte, außer dass es etwas mit den Hunden zu tun hatte, die nervös auf der Stelle herumtänzelten,

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