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Mystic River

Titel: Mystic River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
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Handschuh, denn der weiche Klang von Leder auf Leder beruhigte ihn irgendwie.
    Jimmy hatte immer gerne nachts hier draußen gesessen. Die Ladenfenster auf der anderen Straßenseite waren geschlossen und fast durchweg dunkel. Nachts lag eine Stille über der Gegend, in der tagsüber Geschäfte gemacht wurden, und diese Stille war mit nichts vergleichbar. Der Lärm, der den Tag sonst beherrschte, war nicht verschwunden, er war wie von einer großen Lunge einfach eingesaugt und angehalten worden und wartete darauf, wieder ausgestoßen zu werden. Jimmy vertraute dieser Stille, sie war seine Freundin, denn sie versprach die Rückkehr des Lärms, selbst wenn sie ihn vorübergehend verschluckt hatte. Jimmy konnte sich nicht vorstellen, irgendwo auf dem Land zu leben, wo die Stille der Lärm war, wo das Schweigen zerbrechlich war und bei Berührung kaputtging.
    Aber diese Stille hier mochte er, diese rumpelnde Ruhe. Bis jetzt war der Abend so lärmerfüllt gewesen, so voller Stimmen und dem Weinen seiner Frau und der Töchter. Sean Devine hatte zwei Kripo-Beamte vorbeigeschickt, Brackett und Rosenthal, die mit beschämt gesenktem Blick Katies Zimmer durchsuchten und sich flüsternd bei Jimmy entschuldigten, während sie die Schubladen durchwühlten und unter dem Bett und der Matratze nachguckten. Dabei wollte Jimmy nur, dass sie einfach ihren Job machten und aufhörten, ihn so dämlich anzuquatschen. Am Ende hatten sie nichts Ungewöhnliches gefunden außer siebenhundert Dollar in neuen Scheinen in Katies Strumpfschublade. Sie hatten sie Jimmy zusammen mit ihrem Sparbuch gezeigt – es trug den Vermerk »Geschlossen« –, von dem am Freitagnachmittag das letzte Mal etwas abgehoben worden war.
    Jimmy hatte keine Erklärung dafür. Er war überrascht. Aber angesichts all der weiteren Überraschungen an diesem Tag hatte sie keine große Wirkung auf ihn. Sie verstärkte lediglich die allgemeine Taubheit.
    »Wir können ihn umbringen.«
    Val trat auf die Veranda und reichte Jimmy ein Bier. Er setzte sich neben ihn, die bloßen Füße auf der Treppe.
    »O’Donnell?«
    Val nickte. »Würde ich gerne tun, weißt du, Jim?«
    »Du denkst, er hat Katie umgebracht?«
    Val nickte. »Oder er hat einen anderen drauf angesetzt. Meinst du nicht? Ihre Freundinnen waren sich ganz sicher. Sie meinten, Roman hätte sie in der Kneipe angemacht und Katie bedroht.«
    »Bedroht?«
    »Na ja, jedenfalls hat er irgendwelche Scheiße erzählt, als wäre sie immer noch O’Donnells Freundin. Mensch, komm, Jimmy, es muss Bobby gewesen sein!«
    »Da bin ich mir noch nicht sicher«, sagte Jimmy.
    »Und was machst du, wenn du dir sicher bist?«
    Jimmy legte den Baseballhandschuh auf die Stufe unter sich und öffnete das Bier. Er nahm einen langen, langsamen Schluck. »Da bin ich mir auch noch nicht sicher.«

14 SO WIRD’S NIE WIEDER SEIN
    Die ganze Nacht bis in den Morgen rackerten sie sich ab – Sean, Whitey Powers, Souza und Connolly, zwei weitere Kollegen des bundesstaatlichen Morddezernats, Brackett und Rosenthal, dazu eine ganze Schar von Troopern und Technikern der Spurensicherung, Fotografen und Amtsärzten –, alle bearbeiteten den Fall, als wäre er ein Safe aus Stahl. Jedes Blatt im Park drehten sie um, schrieben Notizbücher mit Diagrammen und Lageberichten voll. In jedem Haus, das man zu Fuß vom Park aus erreichen konnte, nahmen die Trooper Zeugenaussagen auf. Außerdem sammelten sie im Park und in den ausgebrannten Ruinen in der Sydney Street so viele Penner ein, dass ein ganzer Einsatzwagen voll wurde. Sie durchsuchten den Rucksack, den sie in Katie Marcus’ Wagen gefunden hatten, und entdeckten den üblichen Kram, bis sie auf einen Prospekt von Las Vegas und eine Liste von Hotels auf liniertem gelbem Papier stießen.
    Whitey zeigte Sean den Prospekt und pfiff durch die Zähne. »So was nennt man ein Indiz. Los, reden wir mit ihren Freundinnen.«
    Eve Pigeon und Diane Cestra, nach Angaben von Jimmy Marcus möglicherweise die letzten beiden anständigen Menschen, die seine Tochter lebend gesehen hatten, machten den Eindruck, als hätten sie beide mit einer Schaufel einen Schlag auf den Kopf bekommen. Whitey und Sean halfen ihnen behutsam über die wiederkehrenden Heulkrämpfe hinweg, wenn ihnen die Tränen übers Gesicht liefen. Die Mädchen informierten Sean und Whitey über den Ablauf von Katie Marcus’ letztem Abend. Sie zählten ihre Aktivitäten chronologisch auf und nannten die Namen der Kneipen, die sie besucht hatten, dazu die

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