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Mystic River

Titel: Mystic River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
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sehen konnte, verschwommene gelbe Punkte, die in der Nacht unmerklich auf- und abwippten. »Wir, Mensch, also, da war dieses Auto. Jimmy und ich und ein anderer Junge, er hieß Dave Boyle, wir spielten vor unserem Haus. Wir waren so zirka elf Jahre alt. Jedenfalls kam dieses Auto vorbei und nahm Dave mit.«
    »Entführung?«
    Sean nickte und wandte den Blick nicht von den wippenden gelben Lichtern ab. »Die Männer taten so, als wären sie Bullen. Sie setzten Dave zu, bis er bei ihnen einstieg. Jimmy und ich nicht. Sie behielten Dave vier Tage bei sich. Er konnte entkommen. Wohnt jetzt in den Flats.«
    »Hat man sie geschnappt?«
    »Einer ist gestorben, der andere flog ungefähr ein Jahr später auf, hat sich dann in der Zelle erhängt.«
    »Mensch«, sagte Whitey. »Manchmal wünsch ich mir, dass es eine Insel gibt, weißt du das? Wie in diesem alten Film mit Steve McQueen, wo er Franzose ist und alle reden mit Akzent, nur er nicht. Er ist einfach Steve McQueen mit einem französischen Namen. Springt am Ende mit einem Floß aus Kokosnüssen von einer Klippe. Nie gesehen?«
    »Nein.«
    »Toller Film. Aber wenn es so eine Insel nur für Babyficker und Knabenliebhaber gäbe? Ein paar Mal die Woche Essen drüber abwerfen, das Wasser drumrum verminen. Keiner kann da weg. Ersttäter, scheiß drauf, hopp auf die Insel. Tut uns Leid, Jungs, wir können nicht riskieren, dass ihr durch die Gegend lauft und andere ansteckt. Denn ihr habt ‘ne ansteckende Krankheit, wisst ihr das? Ihr habt sie bekommen, weil euch jemand angesteckt hat. Und ihr lauft rum und gebt sie weiter. Wie Lepra. Ich denke, je mehr wir auf diese Insel schicken, desto weniger können angesteckt werden. In jeder Generation gibt es dann weniger von diesen Typen. In ein paar hundert Jahren machen wir die Insel zu einem Club Med oder so. Und die Kinder hören sich Geschichten von diesen Monstern an, wie sie sich heute Geistergeschichten anhören. Als erzählte man ihnen von einer Evolutionsstufe, die wir, keine Ahnung, längst hinter uns gelassen haben.«
    »Mensch, Sarge, was ist denn mit dir los, plötzlich so tiefsinnig?«, fragte Sean.
    Whitey grinste und bog auf die Zufahrt zur Schnellstraße.
    »Dein Freund Marcus«, begann er. »In dem Moment, wo ich ihn sah, wusste ich, dass er gesessen hat. Diese Anspannung geht nie weg, weißt du das? Meistens sitzt sie in den Schultern. Wenn man zwei Jahre lang auf der Hut sein muss, Tag für Tag, jede Sekunde lang, setzt sich die Anspannung irgendwann fest.«
    »Er hat gerade seine Tochter verloren, Mann. Vielleicht hat sich das in seinen Schultern festgesetzt.«
    Whitey schüttelte den Kopf. »Nein. Das sitzt ihm im Magen. Hast du gesehen, wie er ständig das Gesicht verzieht? Das ist der Schmerz, der ihm im Magen sitzt und sich in Säure verwandelt. Hab ich schon hundertmal gesehen. Aber die Schultern, das kommt vom Knast.«
    Sean wandte den Blick vom Rückspiegel ab und beobachtete eine Weile die ihnen auf dem Highway entgegenkommenden Lichter. Sie schossen wie Patronen auf ihn zu, rasten wie dunstige Bänder, die ineinander verschwammen, an ihm vorbei. Sean spürte, wie sich die Stadt mit ihren Wolkenkratzern, Mietshausblöcken, Bürohochhäusern und Parkhäusern, Sportstadien, Nachtclubs und Kirchen um das Auto schloss, und er wusste, dass es keinen Unterschied machte, wenn eins der Lichter ausginge – auch wenn ein neues erstrahlte, würde es niemand bemerken. Und doch pulsierten sie, glühten, flackerten, loderten und starrten ihn an, so wie jetzt – starrten die Scheinwerfer seines Wagens an, während er und Whitey auf der Schnellstraße dahinfuhren. Die Scheinwerfer ihres Wagens waren nicht mehr als ein paar weitere rote und gelbe Lichter, die sich in einem Strom aus roten und gelben Lichtern verloren und in der unauffälligen sonntäglichen Dämmerung dahinzogen.
    Wohin?
    Zu den erloschenen Lichtern, du Dummchen. Zum zersplitterten Glas.
     
    Nach Mitternacht, als Annabeth und die Mädchen endlich im Bett lagen und Annabeths Cousine Celeste, die sofort gekommen war, als sie es gehört hatte, auf der Couch eingedöst war, ging Jimmy nach unten und setzte sich vor die Tür des zweistöckigen Hauses, das er zusammen mit den Savage-Brüdern bewohnte.
    Er hatte Seans Baseballhandschuh dabei und schob seine Hand hinein, auch wenn sein Daumen nicht hineinpasste und der Handschuh nur bis zur Mitte des Handtellers reichte. Jimmy starrte auf die vierspurige Fahrbahn der Buckingham Avenue und warf den Ball in den

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