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Mystic River

Titel: Mystic River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
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lässt.«
    In der Küche stehend, gewährte er ihr hoffnungslose dreißig Sekunden, um zu antworten. Er hörte eine Fahrradklingel, während jemand einen Reifen aufpumpte.
    »Tschüss, mein Schatz«, sagte er und die Worte blieben ihm im Hals stecken. Dann legte er auf.
    Kurze Zeit stand er reglos da, hörte, wie sich das Echo von Klingel und Luftpumpe mit der sirrenden Stille verband, die sich in der Küche breit machte und sein Herz schwer werden ließ.
    Das Gespräch würde ihn quälen, da war er sicher. Vielleicht die ganze Nacht und auch morgen noch. Vielleicht die ganze Woche. Er hatte das Ritual gebrochen. Er hatte aufgelegt. Was wäre, wenn sie gerade den Mund geöffnet hätte und seinen Namen hätte sagen wollen, als er auflegte?
    O Gott.
    Mit diesem Bild vor Augen ging er ins Bad. Wenn er sie bloß loswürde, diese Vorstellung, wie sie am Telefon stand, den Mund öffnete und sich die Worte in ihrem Mund formten.
    Sean, hätte sie vielleicht gerade sagen wollen, ich komme zurück.

III Engel der Stille

15 DER PERFEKTE MANN
    Am Montagmorgen half Celeste ihrer Cousine Annabeth in der Küche, während sich das Haus mit Trauergästen füllte und Annabeth vor dem Herd stand und mit konzentrierter Geistesabwesenheit kochte. Da steckte Jimmy, frisch aus der Dusche kommend, den Kopf herein und fragte, ob er irgendwie helfen könne.
    Als Kinder waren Celeste und Annabeth eher Schwestern als Cousinen gewesen. Annabeth war das einzige Mädchen in einer Familie voller Jungen und Celeste war das einzige Kind von Eltern, die sich nicht leiden konnten, und so verbrachten sie viel Zeit zusammen. Auf der Junior Highschool telefonierten sie beinahe jeden Abend miteinander. Das hatte sich im Laufe der Jahre fast unmerklich in dem Maße verschlechtert, wie sich Celestes Mutter und Annabeths Vater entfremdeten, sich zuerst herzlich, dann kühl und schließlich feindselig gegenüberstanden. Und ohne dass es ein besonderes Ereignis gegeben hätte, hatte sich diese Entfremdung von den Geschwistern auf ihre Töchter übertragen, bis sich Celeste und Annabeth nur noch auf großen Familienfeiern trafen: Hochzeiten, Taufen und gelegentlich zu Weihnachten und Ostern. Was Celeste am meisten zu schaffen machte, war das Fehlen eines Grundes. Es traf sie tief, dass eine Beziehung, die einst so unerschütterlich gewirkt hatte, mit der Zeit von Familienkrächen und Wachstumsschüben zerstört worden war.
    Seit dem Tod ihrer Mutter war es allerdings besser geworden. Im letzten Sommer hatten sie und Dave sich mit Annabeth und Jimmy zum zwanglosen Grillen getroffen und im Winter waren sie zweimal zusammen essen und einen trinken gewesen. Jedes Mal war die Atmosphäre etwas entspannter geworden und Celeste hatte gespürt, wie zehn Jahre verwirrter Einsamkeit von ihr abfielen und einen Namen bekamen: Rosemary.
    Annabeth war für sie da gewesen, als Rosemary starb. Drei Tage lang war sie jeden Morgen gekommen und bis zum Einbruch der Dunkelheit geblieben. Sie hatte gebacken, bei den Beerdigungsformalitäten geholfen und bei Celeste gesessen, die um eine Mutter weinte, die nie viel Liebe gezeigt hatte, aber ja immerhin ihre Mutter gewesen war.
    Und jetzt wollte Celeste für Annabeth da sein, obwohl die Vorstellung, dass ein so beängstigend in sich ruhender Mensch wie Annabeth Unterstützung brauchte, allen fremd war, auch Celeste.
    Trotzdem war sie bei ihrer Cousine, ließ sie kochen, holte ihr Speisen aus dem Kühlschrank, wenn sie sie darum bat, und nahm die meisten Telefongespräche entgegen.
    Und hier stand Jimmy, weniger als vierundzwanzig Stunden nachdem er erfahren hatte, dass seine Tochter tot war, und fragte seine Frau, ob sie etwas brauche. Sein Haar war noch nass und nicht gekämmt; feucht klebte sein Hemd an seiner Brust. Er war barfuß, die Ringe unter seinen Augen zeugten von Trauer und Schlafmangel und Celeste fuhr nur ein Gedanke durch den Kopf: Herrgott, Jimmy, und was ist mit dir? Denkst du auch mal an dich?
    Alle Menschen, die im Moment das Haus bevölkerten – Wohn- und Esszimmer, den vorderen Teil des Flurs, die Mäntel auf Nadine und Saras Betten –, wandten sich Hilfe suchend an Jimmy, als fiele ihnen im Traum nicht ein, zur Abwechslung einmal ihm zu helfen. Als ob er allein ihnen den grausamen Scherz erklären, die Pein in ihrer Seele lindern, sie halten könne, wenn der Schock nachließ und ihnen die Beine beim nächsten Aufwallen des Schmerzes wegsackten. Celeste fand, Jimmy besitze eine selbstverständliche Autorität,

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